Raspberry Pi 400 drei Wochen als Desktop benutzt – Erfahrungsbericht
Der Raspberry Pi 400 sieht auf jeden Fall schick aus. Ich habe meinen vor circa 3 Wochen bekommen und ihn auch konservativ übertaktet. In den vergangenen 14 Tagen habe ich die Maschine häufig angeworfen, um damit alltägliche Aufgaben zu verrichten. Das hat teilweise sehr gut geklappt, war hin und wieder etwas zäh und manche Sachen sind eher ungeeignet. Hier meine Erkenntnisse aus 2 Wochen mit dem Raspberry Pi 400 mit Raspberry Pi OS als Betriebssystem.
Ich möchte noch darauf hinweisen, dass Du beim Einsatz eines Raspberry Pi 400 mit Kompromissen rechnen musst. Du darfst nicht die Performance eines i7 mit 16 GByte RAM erwarten. In den ersten Tagen war mein größtes Problem, dass ich mich umstellen musste.
Normalerweise sind bei mir zum Beispiel etliche Browser-Fenster offen, weil ich mir gewisse Dinge vielleicht später anschauen will. Solche Fenster geraten aber zu häufig in Vergessenheit und ich schließe sie dann Tage später einfach so. Beim Raspberry Pi 400 tust Du Dir selbst einen Gefallen, alles zu schließen, dass Du nicht zwingend brauchst. Erwartest Du eine komplette Desktop-Maschine mit hoher Performance, wirst Du enttäuscht. Der Raspberry Pi 400 ist der bisher schnellste Pi, aber hexen kann er nicht.
Auf jeden Fall hängt viel von der persönlichen Toleranz ab – was für eine Person noch akzeptabel ist, geht für die andere gar nicht. Der Beitrag ist deswegen natürlich relativ subjektiv. Das wollte ich nur erwähnt haben.
Die Hardware des Raspberry Pi 400
Mit Hardware meine ich an dieser Stelle eigentlich die Tastatur. Hier ist sie im Vergleich zu meinem InfinityBook und da gibt es keinen großen Unterschied.
Die Tastatur tippt sich sehr angenehm. Dieser Punkt ist mir sehr wichtig, da ich viel schreibe. Viel mehr braucht man an dieser Stelle nicht zu sagen. Etwas komisch finde ich, dass die deutsche Tastatur des Raspberry Pi 400 eine Taste Ctrl hat, da sie bei einem deutschen Layout normalerweise Strg heißt. Aber das ist reine Kosmetik.
Der Raspberry Pi 400 ist der erste Pi mit einem An- und Aus-Schalter. Im laufenden Betrieb wird Aus erreicht, indem Du die Tastaturkombination Fn + F10 2 Sekunden hältst. Es ist eine Soft-Steuerung, die Linux dazu bringt, sich herunterzufahren. Du schaltest das Gerät durch Fn + F10 oder nur mit F10 wieder an.
Der ganze Raspberry Pi 400 sieht schick aus, das haben auch andere Leute gesagt. Ein Hingucker ist die kleine Maschine auf jeden Fall.
Die Auslastung immer im Blick
Gerade am Anfang kann es nicht schaden, die Auslastung des Geräts im Auge zu behalten. Auf jeden Fall bekommst Du ein Gefühl dafür, wann der kleine Computer in Sachen CPU-Last und Arbeitsspeicher an seine Grenzen stößt.
Im Prinzip gibt es mehrere Möglichkeiten an dieser Stelle. Einer meiner Favoriten ist das Tool htop. Es ist vorinstalliert und die Benutzung ist wesentlich intuitiver als bei top.
Mit htop bekommst Du auf jeden Fall einen guten Überblick zur Auslastung des Systems. Genauere Analysen wären noch mit vmstat möglich, aber lassen wir an dieser Stelle die Kirche im Dorf. Das Tool htop ist meiner Meinung nach hier mehr als ausreichend.
Einrichtung abwarten
Startest Du diverse Programme zum ersten Mal, schließen sie häufig die Einrichtung ab. Genauer gesagt heißt das, der erste Start dauert etwas länger. An dieser Stelle musst Du vielleicht etwas Geduld haben.
Zum Beispiel braucht ein E-Mail-Programm je nach Internet-Verbindung eine Weile, bis es die Nachrichten heruntergeladen hat.
Etwas Kosmetik und zusätzliche Software
Bei Raspberry Pi OS ist die Menü-Schaltfläche normalerweise oben links. Ich habe sie lieber unten links und deswegen habe ich das geändert. Dazu klickst Du mit der rechten Maustaste irgendwo auf eine freie Fläche der Leiste und öffnest Leisten-Einstellungen. Jetzt kannst Du die Leiste individualisieren.
Weiterhin habe ich mein Raspberry Pi OS so eingestellt, dass ich beim Hochfahren ein Passwort eingeben muss. Natürlich ist das nur bedingt sinnvoll, weil die microSD-Karte bei einer Standard-Installation nicht verschlüsselt ist. Deswegen solltest Du gut aufpassen, wenn Du Passwörter im Browser und so weiter speicherst. Sollte der Raspberry Pi 400 für andere Leute physisch zugänglich sein, ist der Punkt Sicherheit relevant.
In Sachen Security hast Du 2 Möglichkeiten an dieser Stelle. Du könntest Dein Home-Verzeichnis verschlüsseln. Dafür gibt es Anleitungen im Internet. Die andere Option ist wesentlich einfacher – nimm einfach Deine microSD-Karte mit, sobald Du das Gerät heruntergefahren hast.
Außerdem haben mir auf dem System zwei Programme gefehlt, die dauernd im Einsatz sind. Zum einen ist das GIMP. Das ist auf dem Raspberry Pi 400 keine Rakete, funktioniert aber ganz gut. Du kannst damit auf jeden Fall Screenshots zurechtschneiden und so weiter. Weiterhin benutze ich KeePassXC als Passwort-Tresor. Auch diese Software läuft sehr gut auf einem Raspberry Pi 400.
Du kannst die beiden Programme sehr einfach via Kommandozeile nachinstallieren:
sudo apt install keepassxc sudo apt install gimp
GIMP kannst Du im Anschluss auch via rechten Mausklick auf eine entsprechende Datei aufrufen.
Du findest den Photoshop für Linux natürlich auch über das Menü im Punkt Grafik.
Browser für den Raspberry Pi 400
Mit Browser-Themen konnte man früher fast Kriege anzetteln. In der Zwischenzeit ist das besser geworden und auf schnellen Rechnern fallen die Unterschiede kaum ins Gewicht. Beim Raspberry Pi 400 sind die Ressourcen aber begrenzt und Du willst wirklich das Optimale herausholen.
Per Standard ist Chromium installiert und das ist OK. In der Zwischenzeit ist der Fehler behoben, aber mit Chromium konntest Du keinen Sound abspielen. Deswegen habe ich anfangs Vivaldi benutzt (ARM-Version downloaden) und bin auch dabei geblieben.
Der Grund ist, dass Vivaldi auf einer aktuelleren Chromium-Version basiert. Der vorinstallierte Browser ist Version 84. Vivaldi basiert auf Version 86 und die aktuelle Snapshot-Version setzt bereits 87 ein. Chromium 87 hat einen deutlichen Performance-Schub gemacht und das wirkt sich möglicherweise beim Raspberry Pi 400 positiv aus. Ich setze die Snapshot-Version hier nicht ein, freue mich aber auf die fertige Version.
Die Entwickler von Vivaldi haben in der aktuellen Snapshot-Version außerdem eine technische Vorschau des Mail-Clients vorgestellt. Sobald die Komponente fertig ist, könnte sie ein weiteres Dilemma für den lösen.
Solltest Du ebenfalls Vivaldi auf dem Pi einsetzen und auch YouTube nutzen wollen, dann rate ich Dir zur Installation von h264ify. Per Standard streamt YouTube VP8 / VP9 und das ist auf schwächeren Maschinen problematisch. Das Plugin zwingt YouTube, H.264 zu streamen. Nun hört auf dem Raspberry Pi 400 das Stottern bei YouTube auf. Bei Chromium ist das Plugin übrigens vorinstalliert.
Besser mit User Agent Switcher?
Ich habe keine Erfahrungswerte an dieser Stelle, aber vielleicht wäre ein mobiler Browser besser für den Raspberry Pi 400. Zumindest liefern Websites teilweise leichtere Seiten für mobile Browser aus und das würde dem kleinen Computer schon entgegenkommen.
Ausprobiert habe ich es nicht, aber es wäre einen Versuch wert. Es gibt ja sogenannte User Agent Switcher für Firefox und Chromium-basierte Browser. Vielleicht teste ich das, wenn ich Zeit habe. Hat da jemand vielleicht Erfahrungswerte? Dann könnte ich mir das sparen.
Das ist auch so ein Thema für sich und hängt viel vom Geschmack ab. Per Standard liefert das Betriebssystem Claws Mail mit aus. Das funktioniert, gefällt mir aber nicht besonders gut. Allerdings muss man schon zugeben, dass es sehr schnell ist und den Raspberry Pi 400 relativ wenig belastet.
Da ich mehrere E-Mail-Adressen habe, will ich aber auch nicht mehrere Browser-Fenster offen halten. Wie anfangs erwähnt, zieht das an der Leistung. Die Mail-App der Nextcloud funktioniert nicht, wie ich möchte. Ich gehe im Kapitel Nextcloud genauer darauf ein.
Die E-Mail-Komponente von Vivaldi sieht vielversprechend aus, ist aber noch nicht fertig. Deswegen habe ich mich im Moment für Geary entschieden. Das ist ein relativ einfacher, aber schicker IMAP-Client und der funktioniert sehr gut.
POP3 kannst Du damit übrigens nicht verwenden. Geary ist rein für IMAP ausgelegt, aber das kommt mir entgegen. Ich benutze seit vielen Jahren nur noch IMAP.
Der einzige Nachteil bei Geary ist, dass es kein Adressbuch gibt. Das ist aber ein Kompromiss, mit dem ich derzeit leben kann. Wie gesagt spekuliere ich ein bisschen mit Vivaldi, wobei sich das Adressbuch dort nicht via CardDAV an die Nextcloud anbinden lässt. Bei E-Mail ist das bei aber nicht so tragisch, da ich meist sowieso nur auf Antworten klicke. Ich kann also damit leben, Adressen aus der Nextcloud zu kopieren, sollte ich eine bestimmte brauchen.
Update: Ich teste gerade den experimentellen E-Mail-Client von Vivaldi 3.5. Der ist ziemlich vielversprechend und schnell, allerdings noch nicht als stabil deklariert.
Noch unentschlossen
Fairerweise muss ich sagen, dass ich immer noch zwischen Geary und Claws Mail hin- und hergerissen bin. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Geary das System kurzfristig arg in die Knie zwingt. Ich würde auf jeden Fall mit Claws Mail beginnen und sollte Dir das gar nicht taugen, Alternativen suchen.
Ich habe mich auch schon ertappt, gar keine E-Mails auf dem Raspberry Pi 400 zu lesen und stattdessen das Smartphone zu benutzen. Erst wenn eine längere Antwort notwendig war, habe ich den E-Mail-Client geöffnet.
Nextcloud und Raspberry Pi 400
Nun kommt ein Kapitel mit sehr gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite ist die Nextcloud ein Segen für den Einsatz mit einem Raspberry Pi 400, weil ich damit Zugriff auf alle meine wichtigen Daten via Browser habe. Außerdem kann ich die Daten des Pi in die Nextcloud synchronisieren. Auf der anderen Seite gibt es bei im Prinzip nützlichen Komponenten zu viele Macken, als dass man sie Anwender*innen mit gutem Gewissen empfehlen kann.
Ich meine damit, dass ich einige Aufgabenbereiche in den Browser verlegen möchte, sodass der Server die Schwerstarbeit erledigt. Mit dem Laptop würde das auch klappen, aber der Raspberry Pi 400 scheint teilweise zu langsam dafür zu sein – sprich, der Browser muss zu viel tun und das zieht den Pi runter. Das ist schade. Anders gesagt ist mein Plan nicht aufgegangen, diverse Aufgaben in die Nextcloud zu verlegen.
Da wir gerade vom Thema E-Mail kommen, bleiben wir schnell dabei.
E-Mail-App von Nextcloud
An sich wäre die E-Mail-App der Nextcloud schon der richtige Ansatz. Damit könnte ich meine E-Mail-Konten in einer Oberfläche vereinen und meine Nextcloud wäre ein bisschen mehr zentraler Hub. Allerdings gibt es an dieser Stelle gleich mehrere Probleme.
Die E-Mail-App der Nextcloud verschluckt oder unterschlägt mir weiterhin E-Mails, die ich mit anderen Clients gelesen habe. Teilweise werden mir sogar noch mit anderen Clients gelöschte E-Mail angezeigt, die allerdings nicht mehr geladen werden können. Der Mix aus nicht angezeigten E-Mails und Zombie-Nachrichten ist ein ziemliches Chaos und für mich unbrauchbar.
Hinzu kommt noch, dass die Mail-App der Nextcloud anscheinend ziemlich viele Ressourcen braucht. Öffne ich sie, geht der Raspberry Pi 400 spürbar in die Knie. Der komplette Browser blockiert sich, bis ich das Fenster wieder schließen kann. Das ist das zweite K.O.-Kriterium, das gegen die Mail-App der Nextcloud spricht.
Daten synchronisieren / sichern / Backup
Einen Nextcloud-Desktop-Client gibt es für Raspberry Pi OS nicht auf einem einfachen Weg. Diverse Ansätze mit WebDAV haben eher schlecht als recht funktioniert. Im Endeffekt habe ich mich für eine Synchronisierung in eine Richtung mittels rclone entschieden. Wie das genau funktioniert, steht in einem separaten Beitrag. In den Kommentaren wird auf dav-sync verwiesen, womit Du in beide Richtungen synchronisieren kannst. Ich finde das Tool sehr interessant, habe es aber noch nicht getestet. Im Moment fahre ich mit rclone sehr gut.
Rclone bezeichnet sich selbst als rsync für die Cloud und das stimmt auch in gewisser Weise. Auf jeden Fall ist damit die Synchronisation eines Verzeichnisses mit einem bestimmten Ordner in der Nextcloud kein Problem. Auf anderen Geräten wird der Ordner auch wieder synchronisiert und ich komme so an die gewünschten Daten. Du musst lediglich beachten, dass in eine Richtung synchronisiert wird. Der Raspberry Pi 400 überschreibt bei mir den Ordner in der Nextcloud.
Diese Herangehensweise dient auch als Backup für meinen Raspberry Pi 400. Alle wichtigen Daten landen im Ordner, der via rclone in die Nextcloud synchronisiert wird. Im Prinzip schlage ich damit zwei Fliegen mit einer Klappe. Ich kann von anderen Geräten aus auf die Daten zugreifen und mein Raspberry Pi hat gleich eine automatische Datensicherung.
Natürlich ist die Lösung ein Kompromiss, mit dem ich aber gut leben kann.
Alternative Backup-Lösungen für den Raspberry Pi 400
Nun hat nicht jeder eine Nextcloud zur Hand. Ist das der Fall und Du willst Dein Gerät trotzdem sichern oder mit anderen Maschinen synchronisieren, gibt es diverse Möglichkeiten.
Für ein Backup in eine Richtung bevorzuge ich normalerweise rsync. Das ist ohne Zweifel das Schweizer Taschenmesser in Sachen Backup und lässt sich wunderbar in Scripts einsetzen.
Für eine Synchronisation in beide Richtungen kannst Du Dir unison ansehen, wenn Du mit einem reinen Kommandozeilen-Tool arbeiten möchtest.
Darf es etwas komfortabler sein und Du willst Daten mit mehreren Geräten synchronisieren, dann ist Syncthing möglicherweise eine sehr gute Option. Die Software gibt es nicht nur für Linux, diverse BSDs, Windows und macOS, sondern auch für Android. Ein sehr großer Vorteil von Syncthing ist, dass Du keinen zentralen Server brauchst, um die Daten zu synchronisieren. Die Daten werden verschlüsselt Peer-to-Peer übertragen. Das funktioniert sowohl im LAN als auch via Internet. Hätte ich keine Nextcloud, würde ich sehr wahrscheinlich diese Lösung für die Synchronisation nehmen.
Ein echtes Backup ersetzen Syncthing und die Nextcloud nur teilweise. In regelmäßigen Abständen sichere ich meine wichtigsten Daten deswegen auch noch auf einen externen Datenträger* und dafür kommt rsync zum Einsatz.
LibreOffice (Online) / CODE auf dem Raspberry Pi 400
LibreOffice startet akzeptabel schnell und für verbesserte Rechtschreibprüfung lässt sich auch LanguageTool installieren. Das gilt natürlich auch für die Browser-Erweiterungen. Bei der automatischen Rechtschreibprüfung in Echtzeit muss ich aber auch dazu sagen, dass sie den Raspberry Pi 400 schon ordentlich ausbremst. Dabei ist es egal, ob es die eingebaute Rechtschreibprüfung ist oder LanguageTool.
Mein Kompromiss an dieser Stelle ist, die Rechtschreibprüfung in Echtzeit zu deaktivieren. Nachdem das Dokument in LibreOffice oder der Blog-Beitrag in WordPress fertig ist, aktiviere ich die Rechtschreibprüfung und kontrolliere meine Texte im Anschluss. Das ist ein zusätzlicher Schritt, aber die Alternative wäre zu nervig.
In Sachen LibreOffice Online oder CODE (Collabora Online Development Edition) via Nextcloud muss ich sagen, dass das erstaunlich gut funktioniert. Allerdings habe ich CODE in einer eigenen Docker-Instanz laufen. Die direkt in der Nextcloud integrierte Version ist langsam und nicht so der Brüller.
Der Nachteil hier ist, dass LanguageTool nicht mit CODE funktioniert. Die eingebaute Rechtschreibprüfung ist OK, aber nicht so gut wie das LanguageTool. Aber auch hier muss ich die Rechtschreibprüfung deaktivieren, weil es mir sonst zu langsam und ruckelig ist.
An dieser Stelle musst Du selbst ausprobieren, was akzeptabel ist oder nicht.
Google Apps sind teilweise schneller
Zwar setze ich die Google Apps wie GMail und Google Docs nicht für meine Zwecke ein, habe sie aber aus reiner Neugierde ausprobiert. Hier muss man fairerweise sagen, dass vor allen Dingen GMail mit so schwachen Computern wie dem Raspberry Pi 400 sehr gut funktioniert. Dass Nextcloud Mail zum Beispiel nicht gut funktioniert, liegt nicht am Server – auf dem Laptop ist es viel schneller (trotzdem nicht brauchbar).
Über die Mail-App der Nextcloud habe ich mich aber schon ausgelassen. Im Gegensatz dazu funktioniert GMail wirklich flott und komplett problemlos. Auch bei GMail könntest Du mehrere E-Mail-Adressen sammeln. Andere Webmail-Services habe ich nicht getestet. Ich kann verstehen, wenn die Leute bei so kleinen Computern auf die Services der Tech-Giganten setzen, wenn die Alternativen so zäh sind.
In Sachen Google Docs muss ich ganz ehrlich sagen, dass seit dem Update auf CODE 6.4 das LibreOffice Online in meiner Nextcloud wirklich flott ist. Hier merke ich eigentlich keine Unterschiede bei der Performance. Bei CODE oder LibreOffice Online ist eine Rechtschreibprüfung integriert und die ist ganz ordentlich. So gut wie das LanguageTool ist sie aber nicht und das funktioniert bei LibreOffice Online leider nicht – habe ich auch schon erwähnt.
Bei Google Docs lässt sich die Browser-Erweiterung des LanguageTools hingegen einsetzen. Aber auch hier tust Du Dir einen Gefallen, wenn Du die Erweiterung zum Schreiben deaktivierst und das LanguageTool nicht in Echtzeit nutzt. Besser ist auch hier, eine gesonderte Sitzung für die Rechtschreibprüfung zu machen. Das spart Zeit und Frust.
Inspiration bei Puppy Linux holen
Sind Textverarbeitung oder Tabellenkalkulation nicht so aufwendig, könnte man sich auch bei Puppy Linux etwas abschauen. Die Textverarbeitung AbiWord und die Tabellenkalkulation Gnumeric sind sehr leichtgewichtig. Allerdings muss man erwähnen, dass LibreOffice viel kompatibler zu Microsoft-Office-Formaten ist. Mit AbiWord kannst Du aber als .doc oder .odt öffnen und speichern. Sobald Writer aus dem LibreOffice-Paket gestartet ist, verhält es sich auf dem Raspberry Pi 400 recht flott. AbiWord ist aber noch ein bisschen schneller und Ressourcen-schonender.
Es ist schwierig, das perfekte Setup für alle Anwender*innen zu finden. Du musst ein bisschen experimentieren und es ist von Vorteil, wenn Du Dich ein bisschen bei den Open-Source-Programmen auskennst. Aber wie gesagt kannst Du Dir in Sachen leichte Software Anregungen bei Puppy Linux holen, das es auch für den Raspberry Pi gibt.
Ein bisschen improvisieren
In manchen Bereichen musst Du einfach ein bisschen improvisieren oder erfinderisch sein. Ich habe meine Messenger gerne auf dem Desktop offen, weil es sich mit Tastatur einfach leichter tippt. Für Telegram und Threema gibt es zum Beispiel auch Web-Versionen. Für Telegram steht sogar eine Chrome-Erweiterung zur Verfügung, die sich dann in das Menü integriert. Ich habe die Erweiterung unter Vivaldi installiert.
Möchtest Du sie direkt über Vivaldi aufrufen, verstecken sich die Erweiterungen etwas. Ich habe aber einfach die URL vivaldi://apps zum Schnellstart hinzugefügt und damit sofort Zugriff auf alle Erweiterungen oder Extensions.
Wie Du am Beispiel Telegram siehst, gibt es meist einen Workaround. Man muss ihn nur finden und bereit sein, Kompromisse einzugehen.
Ist Raspberry Pi OS das beste Betriebssystem?
Das kann man so pauschal auch wieder nicht sagen. Es ist auf jeden Fall das offizielle Betriebssystem mit optimaler Unterstützung, das Du hier beziehen kannst. Es gibt mehrere Möglichkeiten, Raspberry Pi OS auf einer microSD-Karte zu installieren. An dieser Stele sei noch gesagt, dass die Schnelligkeit der microSD-Karte auch eine große Rolle spielt. Nimm einen möglichst schnellen Datenträger* – Deine Geduld wird es Dir danken.
Die einfachste Methode, Raspberry Pi OS zu installieren, ist der Raspberry Pi Imager. Es gibt ihn für Linux, Windows und macOS. Du steckst Deine microSD-Karte einfach in den Rechner, startest die Software und wählst das gewünschte Betriebssystem aus. Die Installation für meinen Test war übrigens Raspberry Pi OS Full. Deswegen ist auch sehr viel Zeug installiert.
Du kannst alternativ dazu das Abbild manuell herunterladen und dann mit einer Software wie zum Beispiel Etcher auf die microSD-Karte schreiben. Bequemer ist der Imager, Optionen gibt es viele.
Viele sinnvolle Sachen vorinstalliert
Möchtest Du zum Beispiel die Programmiersprache Python lernen, eignet sich Raspberry Pi OS hervorragend. Das gilt natürlich auch für alle anderen Aufgaben, für die Raspberry Pi OS prädestiniert ist. Es sind schon viele Tools installiert, die Dich dabei unterstützen.
Es sind zum Beispiel mehrere Entwickler-Tools vorinstalliert. Unter anderem sind das die drei Scratch-Versionen, das Python IDE Thonny, aber auch ein Sense-HAT-Emulator.
Möchtest Du zum Beispiel mit einem Sense HAT eine eigene Wetterstation basteln, kannst Du ohne physischen Sense HAT experimentieren. Der Emulator reicht vollkommen aus, um Dich mit dem System und dem sense HAT vertraut zu machen.
Willst Du einer der vielen Anleitungen folgen, die Du bei der Raspberry Pi Foundation findest, bist Du bei Raspberry Pi OS sicherlich am besten aufgehoben.
Willst Du einen HAT benutzen, musst Du aber ein Flachbandkabel einsetzen. Bei Sense HAT ist es sowieso kein Nachteil, wenn er nach außen verlagert wird. Damit wird der Temperatursensor weniger von der Hitzeentwicklung der CPU und des Boards beeinflusst.
Alternativen zu Raspberry Pi OS
Ubuntu MATE gibt es schon länger für den Raspberry Pi und das funktioniert ganz gut. Weiterhin gibt es seit Ubuntu 20.10 Groovy Gorilla die erste offizielle Ubuntu-Version (Desktop) für den Pi. Das hat noch ein paar Macken, aber es schadet sicherlich nichts, die Entwicklung weiter im Auge zu behalten. Das wird sicherlich noch interessanter, wenn künftige Pi-Versionen schneller werden.
Ubuntu und Ubuntu MATE sind schicker als Raspberry Pi OS. Dafür funktioniert das offizielle Betriebssystem meiner Meinung nach am besten und hat die wenigsten Macken. Du bekommst im offiziellen Forum auch am besten Support dafür.
Natürlich findest Du auch diverse spezielle Betriebssysteme wie die Security-Distribution Kali Linux, die sich vor allen Dingen für Hacker und Sicherheits-Experten eignet.
Taugt das Gerät für Kodi?
Ob sich Kodi-Systeme wie LibreELEC gut auf dem Raspberry Pi 400 machen, wage ich ein bisschen zu bezweifeln. Funktionieren werden sie natürlich, aber hier habe ich lieber eine drahtlose Tastatur an einem Pi B oder ich nutze mein Smartphone als Fernbedienung. Der Computer ist beim Fernseher und die Tastatur auf der Couch. Ich will damit sagen, dass für diesen Einsatz ein Raspberry Pi 400 überdimensioniert scheint.
Spiele auf dem Raspberry Pi 400 – mitunter Minecraft
Auf dem offiziellen Betriebssystem sind auch ein paar Spiele vorinstalliert. Unter anderem findest Du Minecraft (Pi-Version) und ein Fußballspiel. Es erinnert ein bisschen an Amigas Kick Off.
Allerdings prallt der Ball von den Seitenauslinien ab und einen Torwart gibt es auch nicht. Es kostet nichts und läuft ruckelfrei.
IPv6 beim Raspberry Pi 400 deaktivieren
Unterstützt Dein Router und Dein ISP (Internet Service Provider) IPv6, wird Dein Raspberry Pi 400 auch eine solche IP-Adresse beziehen. Das ist nicht immer wünschenswert. Ich stehe IPv6-Adressen je nach Einsatz skeptisch gegenüber. Das Gute ist, dass Du IPv6 relativ einfach bei Debian-basierten Pi-Betriebssystemen wie Ubuntu oder Raspberry Pi OS deaktivieren kannst.
Das funktioniert grafisch mit einem Rechtsklick auf Netzwerk. Allerdings überlebt die Deaktivierung keinen Neustart.
Möchtest Du IPv6 dauerhaft deaktivieren, bearbeite die Datei /etc/sysctl.conf. Hier trägst Du nachfolgende Zeilen ein:
net.ipv6.conf.all.disable_ipv6 = 1 net.ipv6.conf.default.disable_ipv6 = 1 net.ipv6.conf.lo.disable_ipv6 = 1
Nun führst Du folgenden Befehle aus:
sudo sysctl -p
IPv6 sollte nun auf Deinem Raspberry Pi deaktiviert sein.
Willst Du IPv6 deaktivieren, machst Du das am besten in Deinem Router. Dann bekommen Deine Geräte erst gar keine IPv6-Adresse. Allerdings kannst Du nicht bei allen Routern IPv6 deaktivieren. In diesem Fall musst Du es auf Betriebssystem-Ebene machen.
VPN als zusätzliche Schutzschicht und Adblocker
Eine weitere Option, IPv6 beim Raspberry Pi OS und Ubuntu zu deaktivieren, ist der Einsatz eines VPNs wie zum Beispiel NordVPN (günstig und schnell!)*. Der VPN-Provider stellt einen Client für den Raspberry Pi zur Verfügung. In diesem Fall würdest Du auch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Warum?
NordVPN bietet eine Funktion an, die sich CyberSec nennt. Das ist ein Adblocker, der auch Malware und Tracker blockiert. Du musst die Funktion aber erst aktivieren, da sie per Standard deaktiviert ist. Der Grund ist, dass manche Services und Websites nicht mit Adblockern funktionieren. Ob Du die überhaupt nutzen und besuchen möchtest, steht auf einem anderen Blatt.
Vor allen Dingen der Adblocker / Tracker-Blocker tut dem Raspberry Pi 400 gut. Dabei ist es egal, ob Du die Browser-Erweiterung eines VPNs nimmst oder eine der bekannten Extensions / Add-ons. Wobei Du hier vorsichtig sein musst, da es viel Scam oder schädliche Add-ons gibt. Ich fahre mit CyberSec oder Surfsharks* (sehr günstig) Clean Web ausgesprochen gut.
NordVPN bietet übrigens auch eine Browser-Erweiterung für Firefox und Chromium-basierte Software an. In diesem Fall leitest Du nur den Traffic des Browsers durch das VPN. Die Browser-Erweiterung bietet ebenfalls CyberSec.
Ein weiterer Vorteil von NordVPN für den Raspberry Pi 400 ist, dass Du das VPN-Protokoll WireGuard nutzen kannst. Es nennt sich NordLynx und ist sowohl leichtgewichtiger als auch schneller als OpenVPN.
Fazit und andere Betriebssysteme
Wie anfangs erwähnt, darfst Du keine Wunder erwarten. Dir muss einfach bewusst sein, was Du vor Dir hast. Für den Preis ist es eine gute, schicke Maschine. Also Desktop ist der Raspberry Pi 400 bedingt tauglich, wenn Du Kompromisse eingehst. Möchtest Du damit eine Programmiersprache lernen und hast genügsame Desktop-Anforderungen, ist es eine gute Wahl.
In der nächsten Zeit werde ich andere Betriebssysteme auf dem Raspberry Pi 400 testen. Welche weiß ich noch nicht und wann hängt ein bisschen von meiner Zeit ab. Ein paar Ideen habe ich bereits gesammelt, will aber noch nicht zu viel verraten.
P.S: Ich konnte problemlos meine JBL Flip 5* via Bluetooth verbinden und dann über VLC während meiner Experimente Rockantenne hören. Mit vernünftiger Musik geht einfach alles besser. 🙂
Nette Pi-Konstellation
Suchst Du ein VPN für den Raspberry Pi? NordVPN* bietet einen Client, der mit Raspberry Pi OS (32-Bit / 64-Bit) und Ubuntu für Raspberry Pi (64-Bit) funktioniert.
Mein Pi 400 ist noch in der Post und ich warte schon gespannt, will ihn einfach haben und etwas mit rumbasteln...
Ergänzend würde ich noch Q4OS nennnen wollen. Habe es auf dem Pi4 und es macht mit LXQT einen guten Eindruck und ist gefühlt sehr schnall auf dem PI. Wer experimentierfreudig ist kann sich unter Q4OS auf eine breite Desktopunterstützung freuen. Die meisten laufen recht gut, am anderen Ende der Leistungsskala läuft KDE Plasma jedoch eher schlecht als recht.
Hallo Jürgen,
toller ausführlicher Testbericht.
Finde deinen Blog und die beschriebenen Themen absolut lesenswert.
Freu mich schon auf die Testberichte der anderen Betriebssysteme für den Raspberry Pi 4 und 400.
Hallo Jürgen*in,
toller, informativer und wertvoller Bericht, aber dein Gendern nervt. Es stört den Lesefluss und bringt in Bezug auf Gleichberechtigung nichts. Nimm einfach konsequent die weibliche Form, wenn dir die normale Form so stinkt und gut ist.
Liebe Grüße
Eric ungegendert.
Bei fast 4000 Wörter 2x Gendern – das nervt und stört den Lesefluss? Scheint mir ein wenig übertrieben überempfindlich – mich nervt es übrigens nicht.
Mich nervt eher die meines Erachtens ungerechtfertigte Befehlsform in Deinem Kommentar.
Danke für den Bericht.
Die Soft-Steuerung zum aus- und vor allem, zum wieder einschalten klingt interessant. Könnte man da nicht was rausziehen und für den "normalen" pi(4) nutzen? 😉
Gruß.
Hallo Jürgen,
Googlemail sagt mir Claws Mail ist keine sichere Software, ich musste „unsichere“ Software erst bei Googlemail zulassen, damit Claws zugriff hat. Gibt es denn sichere Software zum abholen (nicht schreiben) von Mails? Das war meine Suchanfrage bei Google, aber der Artikel ist trotzdem sehr hilfreich, auch wenn ich noch auf meinen Pi 400 warte (jetzt Pi 3B+).
Ich finde es schade, dass die Terminalfenster weiß auf schwarz sind und damit schlecht lesbar. Wenigstens für die Veröffentlichung im Internet oder auch im Buchdruck sollte man die Einstellung umkehren.
Danke!
Hi,
bei Google gilt alles als unsicher, was nicht direkt von denen zertifiziert ist, genauer gesagt, womit man sich nicht via Google-Authentifizierung anmelden kann. Allerdings gibt es die Option, App-Passwörter anzulegen. Da legst Du für jede unsiere Apps ein eigenes Passwort an. Das ist bei Google hier beschrieben. Google empfiehlt solche App-Passwörter nicht, da sie angeblich weniger sicher sind. Ich verwende sie hingegen dauernd, weil es bei vielen Apps einfach nicht anders geht (Nextcloud, Apprise um weitere zu nennen).
Also ich kann die Terminals gut lesen. Noch besser, wenn ich draufklicke und sie vergrößere. Du kannst sie aber auch herunterladen und mit GIMP invertieren, wenn es gar nicht geht. Ich krusche halt so vor mich hin und mache Screenshots – da denkt man nicht zwingend an die Terminal-Farbe. Da ich Betriebssysteme dauernd neu installiere, steht das eben nicht auf meiner Prioritäten-Liste.