Miguel de Icaza: Was den Linux-Desktop tötete

23 Kommentare Autor: Jürgen (jdo)

Tux Logo 150x150Etwas wie das Nachfolgende zu lesen stimmt mich nachdenklich. Grund ist vor allen Dingen, wer es gesagt hat. Er erklärt in einem längeren Blog-Eintrag, was seiner Meinung nach falsch mit Linux auf dem Desktop gelaufen ist. Ich versuche das mal so verständlich wie möglich zusammenzufassen.

Seiner Meinung nach liegen die Wurzeln der Probleme in der Entwickler-Kultur, die um das Projekt entstanden ist. Linus Torvalds selbst hätte diese vor Jahren geschaffen, als er sich gegen jegliche Binärkompatibilität von Gerätetreibern stellte. Die kernel-Entwickler mögen ihre Gründe dafür gehabt haben und die Industrie wurden zum Mitspielen gezwungen. Die Desktop-Leute hätten diese Macht nicht gehabt, aber die selbe Einstellung an den Tag gelegt.

Die Idee war, dass der Code immer sauber gehalten wird und altes unnützes Zeug rausfliegt. So hatte man das auch gehandhabt. APIs seien rausgeflogen, weil es bessere Möglichkeiten gab, das selbe zu erreichen. Das lässt sich so ähnlich auch auf Funktionen anwenden. Kompatibilitäts-Schichten wurden eingeführt, die weder kompatibel ware noch gewartet wurden. Hat man die Community aufmerksam gemacht, dass es nciht funktioniert, bekam man als Antwort, dass man es nur falsch benutze.

Weiterhin seien sich die Distributoren nie grün untereinander gewesen. Gleiche Funktionalitäten wurden auf verschiedene Weisen umgesetzt. Standardisierung wurde immer von denen untergraben, die gerade am längsten Hebel saßen. Man wollte einfach verhindern, dass andere Distributionen hinterherkommen, um seine Vorherrschaft nicht zu verlieren. Inkompatibel zu sein war eine Strategie, um Marktanteile zu gewinnen. Dieses Vorgehen würde immer noch praktiziert.

Zusammengefasst sieht Miguel de Icaza das so:

  • Dinge ändern sich zu schnell und sowohl Open-Source- als auch proprietäre Software würden nicht mehr funktionieren.
  • Inkompatibilität zwischen den Linux-Distributionen

Dies habe das Ökosystem für Drittanbieter ruiniert, die Linux als Desktop im Visier hatten. Das versuche man nur einmal, indem man die Top-Distribution unterstütze – im besten Fall die Top-Drei. 6 Monate später musste man dann herausfinden, dass die Software nicht mehr funktioniert. Linux-Unterstützung wurde zur Last für unabhängige Entwickler. Das erinnert mich nun daran, dass Valve zunächst nur Ubuntu für Steam unterstützt. de Icaza könnte hier tatsächlich Recht haben. Wenn das auf die Schnauze fällt, dann war es das mit Steam und Linux.

Der Linux-Community machte das wenig aus, weil man der Meinung war, alles mit Open-Source bauen zu können. Tabellenkalkulationen, Textverarbeitung, Designprogramme und so weiter habe man auch ganz gut hinbekommen. Auch ein solides Paket-Management habe man geschaffen und so weiter – das große Ganze habe man allerdings verschlafen. Jeder Drittanbieter wurde außen vor gelassen und so etwas wie Apples App Store für Linux zu schaffen, sei in diesen Tagen nicht möglich.

Apples Aufstieg

Als Apple Mac OS X ins Leben rief, war die Basis alles andere als vorteilhaft. Kernel und Userland seien alt gewesen und die Kompatibilität war eine Katastrophe. Allerdings war das GUI sehr hübsch. Ich kann mich sogar selbst noch daran erinnern, das erste Mac OS X mit Staunen über das Design in einem Technikmarkt bewundert zu haben.

Mit der zeit habe Apple die großen Probleme adressiert und eben den Kernel verbessert, Kompatibilität auf Vordermann gebracht und mehr und mehr habe einfach “Out of the Box” funktioniert. Linux-Anwender, denen es zu doof war, ihre Soundkarte alle 6 Monate neu zum Laufen zu bringen, seien einfach zu Mac OS X abgewandert. Auch viele Hacker seien auf Apple umgestiegen, weil es einfach ein hübsches UNIX war, auf dem alles funktionierte: PDF, Audio, Video und sei darüber hinaus noch sehr angenehm zu benutzen. Viele haben komplette Herrschaft über das System gegen Stabilität eingetauscht.

de Icaza selbst habe sich in das iPhone verliebt und deswegen musste er einen Mac benutzen. Als Teil der Linux-Desktop-Entwicklung fühlte er sich allerdings schuldig, dass er Mac OS X so angenehm findet und den Großteil seiner Arbeit darauf verrichtet.

Was ist falsch gelaufen

Rückwärtskompatibilität und Kompatibilität zwischen den Linux-Distributionen sei keine Arbeit, die als sehr sexy angesehen wird. Keiner will die Drecksarbeit verrichten und jeder möchte der sein, der die nächste tolle Funktion in Linux erfindet. Somit wurde Linux in den Händen von Idealisten gelassen, die das bestmögliche System auf die Beine stellen wollten – Rückwaärtskompatibilität und Unterstützung seien nebensächlich.

Den Photoshop von 2001, als Windows XP auf dem Markt war, könne man immer noch unter Windows 8 laufen lassen. Viele OS-X-Apps würden auch noch unter Mountain Lion laufen.

Auf der FOSDEM im Februar traf de Icaza zwei Freunde, die darüber feixten, ein neues System auf den Markt zu bringen und viele Apps modifiziert werden müssten, damit diese lauffähig sind. Sie hätten die Vision, ein Problem zu lösen, das bisher keinen gestört hat. Allerdings würde jeder Linux-Anwender den Preis dafür bezahlen. Seitdem fühlt er sich nicht mehr schuldig, Mac OS X zu mögen.

Also wenn so etwas aus dem Mund von Miguel de Icaza kommt, dann muss er schon sehr desillusioniert sein. Wer den Namen nicht kennt, hat aber sicher schon eines seiner Produkte benutzt. Er schrieb den Midnight Commander, arbeitet an Wine mit und startete das GNOME-Projekt. Er war auch an der Implementation der RAID-1- und RAID-5-Treiber im Linux-Kernel beteiligt. de Icaza ist auch im Zusammenhang mit Mono sehr bekannt.

Auf der anderen Seite sehen wohl doch einige Leute Hoffnung für Linux auf dem Desktop. Valves Chef sieht in Windows 8 eine Katastrophe für den PC-Markt und Blizzard ist auch nicht sehr angetan vom neuesten Microsoft-Betriebssystem. Allerdings könnte das auch nur wieder in die Karten von Apple spielen und nicht Linux. Ich glaube fast, dass man den ganzen Artikel auf zwei Punktezusammenbringen kann:

  • Apps
  • Anwender verzichten gerne auf Freiheit und gehen den Weg des geringsten Widerstandes

Ich glaube es würde schon helfen – und ich wiederhole mich hier – wenn es endlich eine vernünftige Methode gäbe, sein Android Smartphone mit Linux vernünftig zu synchronisieren. Also nicht einen kruden manuellen Workaround, sondern eine Art, mit der auch Lieschen Müller zurecht kommt. Für viele Anwender taugt Linux, um im Netz zu surfen, mal einen Brief zu schreiben und seine E-Mails zu lesen. Viele wollen von einem Desktop gar nicht mehr. Aber fast jeder hat heutzutage ein Smartphone und möchte die Daten mit dem Rechner abgleichen – gut vielleicht nicht jeder, aber viele.

Ich persönlich bleibe auf jeden Fall bei Linux als Hauptrechner, weil mir die Geschäftspraktiken von Microsoft und Apple gar nicht taugen. Ich möchte einfach der Herr über meinen eigenen Rechner sein und mir nicht diktieren lassen, was denn nun in Ordnung ist oder nicht. Allerdings stimmen mich solche Worte sehr sehr nachdenklich – vielleicht ist es einfach auch nur einer dieser Tage, wo alles ein bisschen grau ist und da hilft so ein Artikel sicherlich nicht. Also wer mich in Sachen Linux auf dem Desktop positiv aufbauen möchte, ist Herzlich Willkommen … 🙂




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23 Kommentare zu “Miguel de Icaza: Was den Linux-Desktop tötete”

  1. tux. says:

    1. Linux gehört nicht auf Desktops. Es ist ein Arbeits- und kein Surf- und Mailsystem.
    2. Der Linux-Desktop ist auch tot, weil das GNOME-Projekt zu dämlich ist, benutzerorientiert vorzugehen.

    • jdo says:

      So lange Du Dich nicht aus dem Repository der Distribution herausbewegst, ist es auch kein Problem. Die meisten Anwender müssten das nicht. Windows kommt für mich nicht in Frage, weil es mir einfach nicht gefällt. Apple will ich nicht unterstützen, weil mir die Politik einfach überhaupt nicht taugt. Vielleicht sollte ich das mit der Technik ganz sein lassen und Schafe hüten ...

  2. Marco says:

    Aus meiner Sicht, geht das alles am eigentlichen Problem vorbei.

    Der einzige Grund, für den Erfolg und Misserfolg ist, ob Linux oder besser eine Distribution (Ubuntu) auf den verkauften Geräten vorinstalliert ist. Wenn die Verbreitung stimmt, dann kommen auf die Programmierer. Die ganzen anderen Felder sind Nebenschauplätze.

    Ubuntu aus Usability-Sicht allen anderen Systemen überlegen - auf jeden Fall ebenbürtig.

    Meiner Meinung nach, kauft kaum einer einen Mac wegen OS X, sondern wegen der Hardware und des Markentwerts Apple's.

    • tux. says:

      Ubuntu aus Usability-Sicht allen anderen Systemen überlegen

      lolwat?

      Quark, Unity ist ein Kreuz. Ubuntu kann man evtl. benutzerfreundlich konfigurieren, per default ist es das nicht.

  3. Henrikx says:

    Apple war mehr als einmal am Boden. Apple macht das meiste Geld schon lange nicht mehr mit Computern, sondern iPhone,iPad,Itunes - sprich Content. Bei dem Prozess mit Samsung, ist auch zu Tage gekommen, dass Apple über 750 Millionen Dollar in Werbung steckt.

    Und trotzdem nur 7 Prozent Marktanteil. Da ist Linux mit 1 Prozent und null Geld für Werbung doch ganz gut dabei.

    Apple und Microsoft sind börsennotierten Unternehmen, da wollen ganz viele Leute sehr viel Geld verdienen und Linux ist für diese Leute der Horror.

    Icaza tanzt auf vielen Hochzeiten. Er mag Apple, kauft Apple.Sagt damit auch Ja zum Patentrolling, glaubt noch an Mono und produziert ab und zu mal Sprechblasen. In diesem Fall würde ich das sogar als FUD bezeichnen.

    Linux ist auf X Geräten nicht mehr weg zu denken. Server, Handy, Embedded Systemen.(Selbst viele Bluray Player fahren mit Linux) Den Desktop wird Linux auch erobern.

    Vielleicht werden die Distributionen noch mehr auseinandersetzten, die einen werden von der Community getragen (Debian und Co), die anderen mit kommerziellem Support. Letzteres könnte Ubuntu irgendwann passieren.

    "Ich denke, dass Linux noch als Sieger hervorgehen wird"
    http://www.heise.de/tp/artikel/37/37517/1.html

    • tux. says:

      Was deinen verlinkten Artikel angeht: Schön, so viel Schaumschlägerei in so wenigen Zeilen. Keine Belege, kein gar nichts, nur religiöses "wir GLAUBEN an Linux". Dabei ist all das eindeutig subjektiv gefärbt: "Linux ist doch voll toll und das alles, nicht wahr?".

      Scade um die verlorene Lebenszeit.

    • jdo says:

      Vielleicht besteht ja doch noch Hoffnung ... ich wollte schon fast die Seite dicht machen ... 😉

  4. Henrikx says:

    @tux
    Wird du eventuell dafür bezahlt, so einen Unsinn zu schreiben?
    Und wenn du schon mit "subjektiv" argumentierst, dann dürfte dein Posting unter was fallen? Spam? FUD? Langeweile?

    • tux. says:

      Nicht jeder, der Linux für überbewertet hält, wird dafür bezahlt. Von wem auch? Von der FreeBSD Foundation? Ach, komm.

      • flup says:

        Ich glaub du hast dich in den weiten des Internets verlaufen, denn bis anhin war das Niveau hier immer gut.
        Hier gehts nun mal in erster Linie um Linux (soweit ich das erkennen kann), und davon die überwiegenden Positiven aspekten.

        • tux. says:

          Ich wusste nicht, dass ein Kommentarfeld nur zum Applaudieren gedacht ist. Ich war fälschlicherweise davon ausgegangen, man dürfe es benutzen, um Kritikpunkte anzubringen. Mein Fehler, Verzeihung.

  5. Henrikx says:

    @jdo
    Welche Seite wolltest du dicht machen?

    • jdo says:

      diese hier - wenn es ein totes Projekt ist ... das sollte ein Scherz sein - aber manchmal (an Tagen wie diesen) fühlt es sich schon an, als würde man gegen Windmühlen rennen ...

  6. Gyges says:

    Also für mich als Anwender klingt das ganze API- und Kompatibilitätsschichtengedöns doch arg nach Entwicklergarn.
    Immerhin ein wichtiges Stichwort ist gefallen: Out-of-the-box-experience.
    Eingestiegen bin ich mit openSUSE 11.3. Das wollte von Hause aus nicht mal meine olle nVidia-Onboard-Grafik unterstützen (nur lauter bunte Klötzchen), einen Druckertreiber für meinen Epson Drucker gabs nicht und an Unterstützung für meinen Wlan-Stick von AVM war erst gar nicht zu denken. Was bringt einem ein schönes, kostenloses OS, wenn man zunächst seine komplette Hardwareausstattung ersetzen muss?
    Multimediaunterstützung? Leider nicht möglich, politische Gründe und so. Thunderbird ? Probier doch mal Kmail! VLC ? Probier doch mal Kaffeine! Eine moderne, iconbasierte Taskleiste á la W7? Fehlanzeige, dann eben wieder die olle XP-Optik. Dazu die altbekannte Spieleproblematik und nicht (oder nur mehr schlecht als recht über Wine) unterstützte Spezialanwendungen, auf die man, sagen wir als Student, angewiesen ist, und fertig ist ein für Umsteiger unbrauchbares Betriebssystem.
    Nun weiß ich mir als sogenannter Poweruser zu helfen, breite Massen erreicht man so sicherlich nicht.
    Um es kurz zu machen: Für mich liegt der Grund für das Scheitern auf dem Desktop schlicht und ergreifend darin, dass bisher einfach niemand ernsthaft versucht hat, den 95 % der Computerbenutzer den Umstieg so einfach und komfortabel wie möglich zu machen. Ubuntu macht zwar vieles richtig, orientiert sich aber leider am falschen OS (dem mit den 5 % Marktanteil) und macht neuerdings denselben Fehler wie MS, nämlich den Desktopnutzern ein Touchinterface aufzuzwingen. ZorinOS zeigt zwar vielversprechende Ansätze, agiert aber insgesamt halbherzig.
    Besonders überraschend finde ich das nicht, dürften doch die meisten Leute, die eine Linux-Distribution herausbringen, zu den Linux-Fans gehören und eher kein Interesse daran haben, ein gepimptes Windows zu basteln.
    Aber Kopf hoch, wo Schatten ist, da ist auch Licht. Die Treiberproblematik scheint sich gerade in Luft aufzulösen, gleiches gilt mit etwas Glück auch bald für die Spiele. Wine entwickelt sich auch nicht übel und wenn ReactOS irgendwann fertig wird, dürfte sich das Softwareproblem dank KVM endgültig erledigt haben.
    Fehlt eigentlich nur noch eine geeignete Distro.
    Man nehme:
    # einen Migrationassistenten, den man unter Windows starten kann, der dem Benutzer sagt, ob seine Hardware unter Linux funktionieren wird und ob seine installierte Software verfügbar ist bzw. welche brauchbaren Alternativen es gibt
    # einen Installer, der den einzig schwierigen Schritt, die Partitionierung, idiotensicher macht und vorhandene Profile (Firefox, Thunderbird etc.) gleich importiert
    # ein Sytem, das alles abspielt, was sich auf der Festplatte und im Web finden lässt, sich softwaretechnisch konsequent an Umsteiger richtet und das man nur ein einziges Mal installieren muss (Rolling Release)
    # eine Oberfläche, die auf Anhieb vertraut wirkt (z.B. KDE mit IconTasks)
    # ein wenig Marketing

    Fertig!

  7. Henrikx says:

    Ich denke viele Leute lesen deinen Blog über RSS. Erinnere doch noch mal feltel, wegen Aufnahme im Planeten.

    Und bloß nicht im Anfall von Frust, den Blog dicht machen.

  8. Henrikx says:

    Ach komm...in dem entsprechenden Thread haben, bis auf den Thread-Starter, alle für dich gekämpft. Und MA RI und Co haben alle Argumente der Person in der Luft zerrissen. Die Fan-Gemeinde ist vielleicht größer als DU denkst....

    • jdo says:

      Ich weiß schon und so war es gar nicht gemeint. Aber bevor ich mich mit Wüterichen herumschlage, die dann auch immer schön kommentieren, geht es mir so derzeit besser - weil es ganz einfach mehr Spaß macht. Der Spaß hält die Seite sowieso am Leben, weil entgegen diverser Unterstellungen ist das Projekt alles andere als profitabel. Wohnte ich in Deutschland, könnte ich die Seite in der Form gar nicht aufrecht erhalten, da wäre ich mit Hartz IV besser dran.