Jolla gibt Gas und schließt Mega-Deal mit chinesischer Handelskette “D.Phone”

2 Kommentare Autor: Thomas (td)

Die erst vor wenigen Tagen verbreitete Meldung, das von Ex-Nokia-Entwicklern und Managern gegründete finnische Startup Jolla Ltd. arbeite an einer Wiederbelebung von MeeGo und wolle noch in diesem Jahr ein mit Meego ausgestattetes Smartphone auf den Markt bringen, hatte in der Szene für reges Interesse gesorgt. Einige der Hintergründe hatte ich hier bereits erläutert. Gestern überrascht das Unternehmen mit einer Verlautbarung auf Twitter, man habe einen Vertrag mit Chinas größter Hitech-Handelskette “D.Phone” geschlossen, die mit rund 2.000 Filialen den riesigen chinesischen Markt mit derzeit 150 Millionen verkauften Mobiltelefonen bedient und mit China Mobile, China Telecom und China Unicom zusammen arbeitet.

Zwar war die Pressemitteilung der Jolla-Gründung mit dem Ziel, mit Mer/MeeGo ausgestattete Smartphones auf den Markt bringen zu wollen, für viele Nokia-Fans schon perse Balsam,  was aber die Fakten angeht, bislang noch recht nebulös. Die gestrige Nachricht auf Twitter zeigt jedoch, dass die Jolla-Entwickler offenbar ernst machen und richtig Gas geben. Jollas Entscheidung, mit ihrer MeeGo-Offensive zuerst den chinesischen Markt bearbeiten zu wollen, könnte zwar von Analysten als Ausweichen vor den hart umkämpften Märkten in Europa und USA gewertet werden, dürfte sich aber strategisch als klug erweisen, weil China zur Zeit den weltweit größten Mobilmarkt darstellt und der Deal mit D.Phone Jolla die Möglichkeit gibt, schnellstmöglich hohe Stückzahlen zu erzielen.

Armes Nokia

Nokias N9, was das bisher einzige Smartphone der Finnen mit MeeGo und unter Fans und Experten gleichermaßen beliebt. (Quelle: handy-deutschland.de)

Nokia hatte bekanntlich aufgrund eines Pakts mit Microsoft, der vorsieht, dass die Finnen sich künftig nur noch auf Windows Phone konzentrieren, sein mit MeeGo ausgestattetes N9 aufgegeben. MeeGo war ein aus der  Zusammenarbeit von Intels Moblin-Projekt mit Nokias Eigenentwicklung Maemo entstandenes auf Linux basierendes Smartphone-Betriebssystem, das heute unter der Bezeichnung Tizen bei der Linux Foundation beheimatet ist. Die Entscheidung sorgte nicht nur für Bedauern und Unverständnis unter den Fans, sondern auch bei zahllosen Experten und der einschlägigen Fachpresse, die MeeGo, bzw. dem mit MeeGo ausgestattetem N9-Smartphone durch die Bank glänzende Noten und beste Zukunftsaussichten attestiert hatten, wie übrigens auch schon dem mit Maemo ausgerüsteten Vorgänger N900. Nokias Entscheidung brachte nebenbei bemerkt dem derzeitigem CEO Stephen Elop den Titel „schlechteste CEO aller Zeiten” ein, weil der MeeGo einstellen ließ, als China sich mit seinen rund 700 Millionen potenziellen Kunden gegenüber Nokia bereits mit der Unterstützung von MeeGo verpflichtet hatte. Die unglückliche Unternehmenspolitik, sowie die glänzende technische Basis mit MeeGo und dem N9 trieb dann wohl auch etliche MeeGo-Experten von Nokia dazu, das Unternehmen zugunsten der Neugründung der Jolla Ltd, mit dem Ziel der Wiederbelebung von MeeGo, zu verlassen.

Zwei mal MeeGo

Zwar gibt es mit dem von der Linux Foundation und der LiMo Foundation ins Leben gerufene Tizen-Projekt bereits einen offiziellen MeeGo-Nachfolger, der es bisher zu einem von Samsung entwickelten Prototypen gebraucht hat, die von CEO Jussi Hurmola geleitete Jolla Ltd. möchte aber eine komplett eigene Benutzerschittstelle entwickeln und setzt daher nicht auf Nokias Harmmaten-Plattform als Ausgangspunkt, sondern auf den Kern des Mer-Projektes, ergänzt mit Qt und RPM als Paketmanagementsystem. Wie auf der Webseite des Mer-Projektes nachzulesen, hat die Entwicklung bereits im Oktober 2011 begonnen und hat ein ultra-portables Linux mit einem HTML5/QML/JS-Kern zum Ziel, der von der MeeGo-Code-Basis abgeleitet ist. Mehr dazu kannst Du übrigens auf einer WIKI-Seite nachlesen.

Jolla Who is Who

Laut Tomi Ahonens Blog Communities Dominate Brands besteht das derzeitige Management der Jolla Ltd. aus CEO Jussi Hurmola, der vorher als Direktor von MeeGo Computers Releases und Integration bei Nokia tätig war, Chairman Antti Saarnio, COO Marc Dillon, der  zuvor leitender MeeGo-Entwickler bei Nokia war, sowie Sami Pienimaki als Vizepräsident Sales und Stefano Mosconi als CIO. Nach eigenen Angaben setzt sich das Jolla-Team aus einer “substanziellen Anzahl” von Meego-Hauptentwicklern und Managern zusammen. Außerdem wolle man weitere Meego-Talente einstellen. Dass zudem offenbar eine Reihe internationaler Investoren hinter Jolla stehen, dürfte dem Ende 2011 gegründeten Unternehmens mit Sitz in Helsinki und Entwicklungszentrum in Tampere, ganz in der Nähe von Nokias Wurzeln, gute Aussichten bescheren, den von iOS, Android und Windows Phone dominierten Markt neue Impulse verleihen zu können. Jollas Webseite ist wie von mir schon letzte Woche beschrieben zwar registriert aber noch “Under Construction” . Jolla verkündet geplante Aktivitäten derzeit nur über seinen LinkedIn– oder Twitter-Account, dem neben der Meldung vom letzten Montag, Meego-Smartphones bauen zu wollen, auch die heutige Verlautbarung zum D.Phone-Abkommen zu entnehmen ist.

Strategisches

MeeGo wurde seinerzeit von Nokia nicht weiterentwickelt und wird heute unter anderem von Tizen beeerbt. Jolla’s MeeGo-Version basiert unter anderem auf dem Mer-Projekt. (Quelle Meego.com)

Was jetzt nur noch fehlt, sind die richtigen strategischen Partnerschaften, um neben der Entwicklung, auch Produktion und Vertrieb anzukurbeln und in die richtigen Bahnen zu lenken. Der mit der D.Phone geschlossene Deal sieht sogar vor, nicht nur ein, sondern zwei Mobiltelefone mit MeeGo/Mer auf den chinesischen Markt zu bringen. Donghai Liu, CEO von D.Phone, lobt “die neue und einzigartige User Experience von Jolla” und erwartet “signifikante Verkaufszahlen”. Laut Jolla Chairman Antti Saarnio hofft das Unternehmen, mit dem Abkommen im größten und wachstumsstärksten Mobilfunkmarkt der Welt Fuß fassen zu können. Der Deal mit D.Phone sei “ein wichtiger Schritt für Jolla, um ein signifikanter Player im weltweiten Smartphone Markt zu werden”. Mir beschert der Deal zwar in naher Zukunft kein neues MeeGo-Phone, aber wer weiß. Ist Jolla erstmal in Fernost eine Hausnummer, werden sich auch auf den hiesigen Märkten schnell Investoren finden, denn iOS ist ein geschlossenes Ökosystem, Android hat nicht nur Freunde und Windows Phone 8 spielt hoffentlich in Zukunft nur eine untergeordnete Rolle, weil Microsoft wenig vom Mobilfunkmarkt zu verstehen scheint. So leid mir das für Nokia täte. Doch wie die hierzulande und anderswo mit Mitarbeitern umspringen ……….




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2 Kommentare zu “Jolla gibt Gas und schließt Mega-Deal mit chinesischer Handelskette “D.Phone””

  1. Bernd says:

    Danke für diesen tollen Bericht über Jolla, scheint ein richtig guter Dial mit D.Phone zu sein. Bin mal gepannt was sich daraus entwickelt.