Ubuntu für Smartphones: Kaum sind keine Details bekannt, kriechen die Orakel von Delphi aus den Höhlen
Endlich wieder was, das man schön zerreißen kann, bevor es überhaupt angefangen hat. CNN Money schreibt: Das Ubuntu Smartphone (das niemand benutzen wird) ist ein flüchtiger Blick in die Zukunft. Also für mich widerspricht sich alleine die Überschrift.
Canonical-Boss MArk Shuttleworth hat in einer Keynote das neue Ubuntu für Smartphones angekündigt. Der CNN-Schreiberling denkt, dass es sich Anleihen bei Android und Windows 8 geholt hat. Also bei ersterem kann man sich noch etwas über das Henne-Ei-Problem Gedanken machen, aber Windows 8? Unity war wesentlich früher da und diese Umgebung wird auch beim Smartphone zum Einsatz kommen. Somit hinkt dieser Vergleich nicht nur, sondern ist schlichtweg falsch.
Dass das Konzept, ein Smarpthone über eine Docking-Station in einen PC zu verwandeln nicht neu ist, stimmt. Es hatten schon andere versucht, Hybrid-Geräte zu erstellen und sein Argument ist, dass keine davon geklappt hat. Das mag sein, aber das kann auch ganz einfach an der Hardware gelegen haben, die seit diesen Gehversuchen deutlich schneller geworden ist. Weiterhin waren einige Android-Geräte mit Maus und Keyboard umständlich zu verwenden. Man konnte mit der Maus nicht einmal vernünftig markieren – wer verwendet das dann gerne als Desktop-Ersatz?
Weiterhin versuche nicht einmal Microsoft ein Smartphone OS und ein Desktop OS in einem einzigen Paket auszuliefern. Ja, stimmt. Aber man sollte mal Standard-Installationen von Windows und Linux bezüglich des verbrauchten Platzes unter die Lupe nehmen. Dann würde ein Windows-8-Phone mit 32 GByte Flash-Speicher nicht mehr viel Spielraum lassen.
Ein weiteres Problem von Ubuntu für Smartphones sei, dass es zwar ganz nett im Video anzusehen sei, aber man das Rad nicht neu erfunden hat. Ja und? Was ist denn das bitte für ein Argument? Entwicklung bedeutet schließlich auch, dass man bestehendes untersucht und in kleinen Schritten verbessert. Für mich persönlich ist die Docking-Lösung mit Smartphone und Desktop-PC sehr attraktiv. Auch wenn ich auf meinem Hauptrechner ein Ubuntu-Derivat verwende, würde ich mir eines zulegen. Wenn man nur eben schnell etwas auf dem großen Bildschirm machen, eine E-Mail beantworten, etwas Musik hören möchte und so weiter, müsste ich meinen Hauptrechner nicht bemühen. Ich kenne mich mit Linux gut genug aus, um auch Ubuntu für Smartphone an meine Umstände anzupassen – Backup via rsync auf eigenen Server und so weiter.
Wo des Schreibers Problem liegt, dass es zwar scheint, dass Smartphone- und Desktop-Oberfläche zwar an die unterschiedlichen Umgebungen angepasst sind, diese aber in einem Installations-Medium ausgeliefert werden, entzieht sich komplett meinem Verständnis. Der Autor des Betrags hat wohl auch mit Unglauben realisiert, dass Bäckereien plötzlich Wurstsemmeln verkaufen und umgekehrt – also Metzgereien Wurstsemmeln, die Wurstsemmeln haben natürlich keine Bäckereien verkauft.
Er bezweifelt, dass Ubuntu die entsprechende Masse an Anwendern und Entwicklern mobilisieren kann, um ein entsprechendes Ökosystem zu erschaffen. Hmmm … vielleicht schließt man sich ja mit anderen kurz und HTML5-Apps laufen sowohl auf Firefox OS, als auch Tizen als auch Ubuntu für Smartphones. Es ist ein guter Kritikpunkt, aber es gleich als Totgeburt zu bezeichnen ist etwas über die Stränge geschlagen.
Ubuntu scheint mehr ein Sandkasten für Technik-Enthusiasten und eine Enterprise-Lösung für Firmen mit einem knappen Budget. Häh? Man nenne mir bitte eine Firma, die gerne die teuerste Hardware kauft – vor allen Dingen in diesen Zeiten. Also entweder zeugt dieser Satz von Arroganz, dass man nur dann eine Chance hat, wenn man sich in reichen Ländern durchsetzen kann, oder man will einfach nicht über den Tellerrand sehen. Ubuntu ist auf dem Desktop weit von Windows entfernt, dennoch verwenden es einige Millionen Anwender. Und wegen der Technik-Fans – das ist ein absoluter Bonus, bei einem Start keine Zombies als Zielgruppe zu haben, sondern eine Technik-affine Masse, die dazu noch loyal ist. Das würde ich als Vorteil bezeichnen. Die werden das Ding schon zerlegen und die Probleme schnell zu Tage bringen – während bei anderen Herstellern einfach nur “der Scheiß geht nicht” geheult wird. Das wird natürlich auch von der Offenheit des Systems abhängen.
Zumindest räumt der Schreiber dann noch ein, dass dieses Konzept ein Blick in die Zukunft der Computerei sein könnte. Also erst verdammt er das Projekt zum Scheitern, dann räumt er Ubuntu für Smartphones allerdings einen Visionärs-Status ein.
Ich fand die Idee mit Ubuntu für Android damals schon attraktiv und war eigentlich recht enttäuscht, als es so still darum wurde. Canonical wird erst einmal beweisen müssen, dass man das Konzept auch umsetzen kann und vor 2014 wird das wohl nicht in passieren. Aber bis dahin ist die Hardware noch mal einen Schritt weiter und die Smartphones haben heute schon fast die Geschwindigkeit, einfachere PC-Aufgaben zu erfüllen. Dass man sich im Mobilmarkt schwer tun wird, ist klar. Während sich Android und iOS den Markt eigentlich komplett teilen, ist da auch noch Firefox OS, Tizen und Jolla im Backofen. Aber muss man denn immer gleich Marktführer werden? Vielleicht funktionieren Apps ja wirklich plattformübergreifend auf den Linux-basierten Betriebssystem. Wenn man schlau ist, wird man versuchen, sich hier irgendwie zu arrangieren.
Man kann Ubuntu kritisch beobachten und es muss einem nicht alles gefallen, was Canonical mit Linux macht. Aber es ist Ubuntu zu verdanken, dass Steam für Linux kommt. Davon profitieren auch andere Distributoren und die Spiele-Industrie kann einen massiven Einfluss auf die Popularität von Linux haben, vor allen Dingen, weil viele Microsofts eingeschlagenen Weg nicht mögen – wovon Windows 8 erst der Anfang ist.
Was allerdings interessant wird, wie man diverse Apps miteinander verbindet. LibreOffice auf so einem kleinen Bildschirm wird keinen Spaß machen. Allerdings würde ich persönlich auch keine Office-Suite auf einem Smartphone benutzen – das grenzt an Masochismus. Es macht ja auf einem Tablet ohne angeschlossene Tastatur schon keinen Spaß. LibreOffice und andere Desktop-Pakete allerdings auf dem Smartphone zu haben und über die Docking-Station abfeuern zu können, ist für mich persönlich schon sehr interessant. Wie Canonical das umsetzt, wird man abwarten müssen. Vielleicht bietet man diverse Apps im nicht eingedockten Modus einfach gar nicht an.
Seis wie es ist, ich wünsche Ubuntu für dieses Vorhaben auf jeden Fall viel Erfolg – denn auch wenn ich oft kritische Gedanken zu Ubuntu loslasse, würde ich ein solches Gerät kaufen und mein Android-Smartphone abstoßen. Ein Knackpunkt wird sicher sein, welche Hardware-Hersteller man an Bord holen kann. Ist ein großer Name darunter, wird man sich bestimmt wesentlich leichter tun.
...dass es zwar ganz nett im Video anzusehen sei, aber man das Rad nicht neu erfunden hat. Ja und? Was ist denn das bitte für ein Argument?
Das Argument findet man auch laufend in "Web 2.0"-Blogs und Konsorten, wenn es um neue Gadgets oder Cloud-Dienste geht. Wird halt nicht mehr gekauft was nützlich ist sondern was kurzfristig am meisten Neid und Coolness bringt, dafür sollte das Gerät/der Dienst schon etwas neues, (noch) einmaliges sein. Kann von daher schon sein das wegen so etwas der Hype für Ubuntu ausbleiben wird, aber ich denke die Ubuntu-Community ist groß genug um allein durch sich selbst ein paar einzelne Ubuntu-Smartphones zu tragen...es müssen ja keine 100 versch. Geräte sein wie unter Android, in jder Preisklasse zwei Geräte reichen auch vollkommen. 😉
Ganz genau - eine gesunde Nische ist oftmals besser, als sich dauernd mit anderen bekriegen zu müssen ...
War ja klar, dass auch gleich solche Meldungen auftauchen. Ich bin mir sicher, dass es viele gibt, denen Funktionen wie Docking egal sind, aber auch viele, die es sehr begrüßen würden, so wie ich.
Wenn man jetzt nicht ewig auf die Geräte warten muss, kann ich mir schon vorstellen, dass sich ein Ubuntu Phone nach den ersten paar Updates nicht verstecken muss.
Es wird vor allen Dingen Ubuntu- und Linux-User interessieren. Damit hat man seinen PC eigentlich in der Tasche - ok, für manche Aufgaben nicht geeignet, für viele aber sehr wohl. Und ich bin weiterhin der Meinung, dass eine gesunde Nische mit einer loyalen Nutzerbasis auch sehr viel Wert sein kann.