SteamOS: Eine Totgeburt? Werden wir es jemals sehen?

10 Kommentare Autor: Jürgen (jdo)

Vorweg genommen, teile ich die Meinung nicht, die in einem Blog-Eintrag des ehemaligen Valve-Entwicklers Rich Geldreich in Bezug auf SteamOS zu lesen ist.

Ist SteamOS schon tot, bevor es fertig ist?

Das Szenario, dass Geldreich beschreibt, ist dunkel. Er gibt zu, dass einige der Spiele die gleiche Performance bringen als unter Windows oder sogar schneller laufen. Allerdings sei das nicht trivial Insbesondere geht er auf große Titel ein und nicht auf Indie-Games. Geldreich nennt dabei folgende Titel beim Namen:

  • Borderlands:
  • Borderlands 2
  • Tropico 5
  • XCOM: Enemy Unknown
  • Sid Meier’s Civilization V.

Seiner Meinung nach würden die Entwickler zu wenig Aufwand betreiben, um diese Spiele für Linux und/oder OpenGL zu optimieren.

Das kann sein, ist aber natürlich reine Mutmaßung. Behauptungen kann man schnell aufstellen. Es gibt Firmen, die sich auf das Portieren von Spielen spezialisiert haben. Die werden den Teufel tun, nicht das Letzte aus der Performance zu holen.

Geldreich spricht dann noch aus eigener Erfahrung. Bei Valve hatte man viel Unterstützung erfahren und es sei immer noch schwer gewesen, die Source Engine zu portieren und die gleiche Stabilität wie unter Windows zu garantieren.

Weiterhin prügelt er auf die lausigen Intel-Open-Source-Treiber ein. Die Firma könnte wesentlich mehr machen. Im Moment würde Valve LunarG bezahlen, um die Performance-Bugs im Intel-Treiber auszubügeln. Dies sei allerdings keine dauerhafte Lösung für die Entwicklung eines Treibers.

Er verweist außerdem auf einen Artikel bei Slashdot, die SteamOS schon tot reden. Den Controller werde man nie sehen und wo bleiben eigentlich die ganzen tollen Maschinen, die man Anfang des Jahres angepriesen hat. Hier vermutet man, dass Valve mit SteamOS lediglich Druck auf Microsoft ausüben wollte. Nun hat Alienware einen Rechner zur Verfügung gestellt, mit dem man direkt in Steam booten kann. Das würde Valve schon reichen und man habe einen Punktsieg gegen Microsoft erlangt und könne SteamOS auf die lange Bank schieben.

Meine Gedanken dazu

Man ist hier viel zu ungeduldig. Es ist Ende 2014 und Valve hat gesagt, dass SteamOS und der Controller nicht vor 2015 fertig sein würden. Warum prügelt man also auf eine Sache ein, die per Ankündigung noch nicht einmal da ist? Hätte es geheißen, SteamOS ist Anfang 2014 bereit und wir würden immer noch warten … gebt den Leuten erst mal eine Chance und 2015 kann man sie notfalls immer noch in der Luft zerreißen. Hier werden Anschuldigungen gemacht, die auf reinen Gerüchten und Mutmaßungen basieren. An den Leuten sind Politiker verlorengegangen.

SteamOS: Controller (Quelle: steampowered.com)

SteamOS: Controller (Quelle: steampowered.com)

Portieren von Spielen

Klar ist das toll, wenn man unter Linux nun auch in den Genuss von einigen Krachern kommt – auch wenn die schon älter sind. Allerdings wurde und wird der Spiele-Markt auf dem PC lange von Windows dominiert. Dass die Engines alle für Windows optimiert sind, ist logisch.

Auch hier muss man den Leuten Zeit geben – das geht nicht von heute auf morgen. Plattformübergreifende Engines brauchen Zeit und es gibt auch einige, die das können. Metro: Last Light, Wasteland 2 und so weiter sind gute Beispiele, dass man auch unter Linux performante und gute Spiele machen kann. Der Markt ist auf jeden Fall da, das hat sich schon oft genug bewiesen.

Anstelle der Grafikschlachten und der FPS-Orgasmen sollte man sich vielleicht lieber mal wieder darauf konzentrieren, gute Spiele zu erschaffen. Mir persönlich ist die Grafik etwas weniger wichtig, wenn ein Spiel Tiefe und Witz hat. Die Monkey-Island-Serie und alle anderen Lucasarts-Adventures schlagen heute noch in Witz und Tiefe viele so genannte AAA-Titel – vor allen Dingen die Nachfolger. Die Dinger sehen natürlich angestaubt aus und ist astreine Pixelgrafik. Ich schmeiße aber schon gerne mal die ScummVM (läuft sogar unter Android an und zocke eines der alten Adventure.

ScummVM Android Monkey Island Möchtegern-Pirat

Guybrush Threepwood – Möchtegern-Pirat

Der Spruch hört sich wie ein Fall für das Phrasenschwein an, aber: Rom wurde auch nicht in einem Tag erbaut! Lasst den Leuten doch mal ein bisschen Zeit.

Valve eingeknickt?

Das kann ich mir nicht vorstellen. Die haben nun die Chance, sich langfristig von Windows zu trennen und somit dauerhaft ein Druckmittels gegen Microsoft aufzubauen. Warum sollten sie sich diese Möglichkeit durch die Lappen gehen lassen?

Weiterhin geht es um das Prestige. Ich schätze Gabe Newell so ein, dass er Microsoft einfach zeigen möchte, dass Valve das kann.

Mit Sicherheit wird der Linux-Spiele-Markt, vor allen Dingen die großen Titel, mit Valve stehen oder fallen. Wenn es SteamOS niemals geben wird, ist zumindest der Steam Client für Linux noch da und auch hier gibt es schon einige gute Spiele. Dank Valve sind wir Linuxer eigentlich erst in der glücklichen Lage, überhaupt mal eine größere Auswahl an Spielen zu haben. In der Tat sind das schon so viele, dass man alle wohl gar nicht mehr zocken kann.

Anstelle Valve wegen SteamOS einen Strick zu drehen, nur weil man ungeduldig ist, halte ich für extrem unfair. So lange es von offizieller Seite nicht vom Tisch ist, wird es für mich auch passieren. Sollte ich mich getäuscht haben, dann fange ich eben an die Liste mit den Linux-unterstützten Spielen von A-Z zu zocken – das dauert dann eine Weile und ich muss trotzdem kein Windows installieren.




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10 Kommentare zu “SteamOS: Eine Totgeburt? Werden wir es jemals sehen?”

  1. Matthias says:

    Wenn sie einmal die Spiele und den Linux Client ENDLICH auf 64 Bit portieren, würden sie in jeder Portierung an Performance gewinnen.

  2. Thoys says:

    Es ist faszinierend. Sobald etwas den Titel OpenSource bekommt, dann drehen manche völlig durch und müssen es schlecht machen.
    Eine realistische Einschätzung der Lage ist dabei genauso unwichtig, wie ein fundiertes Wissen darüber, worum es überhaupt geht.

    In diesem Fall will ich, gerade Zweiteres, nicht vorwerfen. Aber das Phänomen ist doch ähnlich. Wäre SteamOS ein geschlossenes System, wären die Fronten ganz anders und es würde anders argumentiert werden.

    Schöner beitrag darüber, dass etwas zerrissen wird, einfach nur um zerreisen zu können. Und danke für das "runter holen" auf den Boden der Tatsachen, dass es offiziell noch garnicht raus ist.

    Grüße

  3. Martin Zabinski says:

    Sehe ich änlich.

    Ich hab nur noch 2 Windows Instllationen
    - ein PC (dual boot) nur zum Zocken und
    - eine VM falls mal jemand einen Notfall hat.
    - Ansonsten ist alles andere Linux (PC, Notebook, Netbook, etc).

    Ich hab letztes Wochenende mal wieder meinen PC mit Win gestartet, nur aus dem einzigen Grund um mal die Updates nach zu ziehen. Dem Updater zufolge hatte ich den 2 Monate nicht mehr mit Windows gestartet.
    Naja was solls, Updates installiert, reboot mit Linux, weiter gezockt 🙂

    -------------------
    Zu einem Kommentar der mir aus irgendeinen Grund hier nicht, aber im RSS Feed angezeigt wird:
    Wenn ich das richtig mitbekommen hab ist der Steam Client jetzt auch x64 unter Linux nur ein paar kleinigkeiten noch nicht. Aufjedenfall ist die Installation auf einem debianbasiertem System problemlos (ok ich hatte ein paar Probleme mit dem ersten Start und den unfreien AMD Treibern aber da gibts einen einfachen Trick: erststart von Steam & update mit aktiven freien Treibern; reboot; unfreie Treiber installieren & aktivieren; reboot; steam start: dann sollte es laufen, das liegt an einem veralteten Startscript im Installationspaket von Steam was den Treiber nicht richtig händelt)

    • Matthias says:

      Der Linux Steam Client ist immer noch, genauso wie auch die meisten Windows Spiele, eine reine 32 Bit Anwendung und funktioniert unter x86_64 immer noch nur mittels multilib/lib32: https://www.archlinux.org/packages/multilib/x86_64/steam/

      Deswegen ist der Client auch immer noch nicht Teil von KaOS, meinem Betriebssystem:

      http://kaosx.us/de/faq/#Wieso_fehlt_32_Bit_Untersttzung

      • Martin Zabinski says:

        Ist mir schon kla das der noch die lib32 usw benötigt, aber irgendwo hatte ich mal ne Analyse gefunden (sorry finde die grad nicht wieder) wo aufgefürt ist das Teile von Steam auch x64 sind. Nur für den Rest braucht man halt noch das ganze Geraffel.

        Wobei ich muss sagen so schlimm finde ich das nicht kann man ja alles über den einen oder den anderen Weg immer ins System bringen wenns nötig ist.
        Eine große Anwendung wie Steam läst sich ja leider nicht von heut auf morgen umstellen (auch wenn ich zustimmen muss das die sich mal wirklich ernsthaft dran machen könnten das ganze auch unter Linux (also für x86 und x64) einfacher installiebar zu machen).

        Und bezüglich "deinem Betriebsystem" muss ich leider sagen: Schau mal was die empfehlen, bei anderen kann es laufen, muss es aber nicht.
        Ich hab Steam unter Win7 x64 (ok in der Diskusion fehl am Platz), XUbuntu x64, Gentoo i686 & x64.
        KaOS hat ja laut Selbstbeschreibung einen sehr beschränkten Fokus mit allen Vor und Nachteilen.
        Aber es geht alles, ist nur die Frage wie viel Zeit und Mühe man da reinstecken willst um das selber zum laufen zu bringen.

        MfG Martin

        • jdo says:

          Man darf wohl Valve auch keinen Vorwurf machen, den Steam CLient nicht auf allen bei Distrowatch gelisteten Distributionen zu testen. SteamOS basiert auf Debian und dort, plus den Debian-Abkömmlingen wird auch der Fokus liegen.

          • Martin Zabinski says:

            Wobei ... wieso nicht?
            Steam for Windows
            Steam for Mac
            Steam for Linux
            ...
            Steam for Browser
            Steam for Konsole (mit MUD und dnd und so) 🙂

  4. Ein paar Anmerkungen, die Jürgen beipflichten:

    > Seiner Meinung nach würden die Entwickler zu wenig Aufwand betreiben, um diese Spiele für Linux und/oder OpenGL zu optimieren.

    Mehr noch, OpenGL läuft ganz wunderbar auf Windows. Ich vermute daher dass langfristig jene Firmen, die gerne Linux-Ports bauen wollen ihre Spiele direkt auf OpenGL bauen und dann keinen großen Portierungsaufwand nach Windows haben. Das gilt natürlich nicht für vorhandene Engines, aber je nach Developer eben für die künftigen.

    > Weiterhin prügelt er auf die lausigen Intel-Open-Source-Treiber ein. Die Firma könnte wesentlich mehr machen.

    Haben sie gerade, der MESA-Treiber für Intel-Chips wurde jüngst massiv verbessert, die Updates werden nicht gleich morgen erwartet aber im Laufe dieses Jahres.

    > Mit Sicherheit wird der Linux-Spiele-Markt, vor allen Dingen die großen Titel, mit Valve stehen oder fallen.

    Selbst das glaube ich nicht. Valve hat viel für Linux getan, aber "Gaming on Linux" steht und fällt nicht mit Valve. Jürgen schreibt es gäbe schon über 700 Artikel auf Steam und man könne die ja gar nicht alle spielen. GoG hat auch schon eine gewaltige Auswahl (ganz ohne Steam), das HumbleBundle arbeitet eng mit Steam zusammen, macht aber auch genügend unabhängig davon, Und dann gibt es noch tonnenweise Browsergames und natürlich die freien Spiele, die auch vor Steam verfügbar waren (ich meine sowas wie FreeCiv; UFO:AI; Widelands; Hedgewars und Unknown Horizons).

    In dem unwahrscheinlichen Fall dass Valve Linux tatsächlich aufgibt werde ich dennoch weiterhin spielen… auf Linux, ohne Steam und ohne WINE.

    (Crosspost auf Diaspora https://pod.geraspora.de/posts/60908c204bce0132a92e4860008dbc6c#b036ce304bfd0132a9204860008dbc6c )

    @Thoys: Ich fürchte Steam wird nicht OpenSource und auch nicht "offen" (ungeschlossenes System).

  5. Matthias says:

    Kann das hier vielleicht jemand wiederlegen oder bestätigen ?

    http://makululinux.com/forums/topic/64bit-version-of-makulu/

    Dankeschön

    • Martin Zabinski says:

      Nö, mit x64 Software & Co hatte ich bisher eher seltener Probleme. Oder anders Formuliert: außer das x64 mehr RAM verbraucht und teilweise schneller ist, merke ich keinen großen Unterschied.

      Bei dem Artikel fehlen mir sowieso konkrete Belege/ Beweise, das ist meiner Meinung nach mehr eine Ansammlung von Vermutungen. Das einziege was gennante wurde sind subjektive Beobachtungen und bezüglich der "Bug pro Woche"-Anzahl muss ich auch sagen das mir die Distro bis eben nicht mal bekannt war und auch bei Distrowatch nicht wirklich weit oben steht wodurch sich auch eine geringere Anzahl an Fehlermeldungen evl Begründen ließe.

      Ich kann da nur die generelle Aussage treffen das unter x86 die Software meist auch schon länger existiert und wahrscheinlich auch öffter getestet wurde.

      MfG Martin