Kubuntu und Mir oder das Chaos beginnt jetzt

6 Kommentare Autor: Jürgen (jdo)

KDE 4 LogoKWin-Verantwortlicher Martin Gräßlin hat einen sehr sehr langen Blog-Eintrag geschrieben, der aber absolut lesenswert ist. Das Thema Mir in Kubuntu ist wieder ans Tageslicht gekommen und Gräßlin wollte nach eingenen Angaben diese Diskussion am liebsten vermeiden. Nun sei man allerdings gezwungen, sich an der Diskussion zu beteiligen und muss erklären, warum Mir keine Option für Upstream ist.

Dies würde das Problem aufzeigen, das Canonical mit Mir ins Leben gerufen hat. Er könne nicht einfach sagen “Canonical ist doof”, um Mir als Option auszuschließen. Nun sei man gezwungen, die ganzen technischen Details aufzulisten, warum man Mir nicht aufnimmt. Somit müsse er Zeit verschwenden, die Unterschiede rauszukitzeln, Vor- und Nachteile aufzeigen und so weiter. Weil er sich sowieso damit beschäftigen muss, hat er seine Gedanken gleich niedergeschrieben.

Gräßlin stellt noch mal klar, dass die Entwickler bei Canonical tun und lassen können, was sie wolle. Es sei das Geld von Mark Shuttleworth und er könne das investieren, was er für richtig hält. Mit einigen von Canonicals Aussagen könne er sich allerdings nicht anfreunden und er habe das Vertrauen in Canonical fast komplett verloren. Er habe sogar eine Abmahnung in Betracht gezogen, nachdem Canonical die Lügen verbreitet hätte, dass KDE und Mir kein Problem sei. Das Getrolle seitens Canonical sei mehr als frustrierend.

Gräßlin streitet gar nicht ab, dass eine Entwicklung von Mir in einigen Bereichen sogar sinnvoll sein könnte. Allerdings habe Canonical noch keine präsentiert. Stattdessen verbreitet man seitens Canonical falsche technische Behauptungen.

Im Moment sei von Mir noch keine Spur zu sehen und es ist nicht fertig. Somit will man im KDE-Lager bereits Wayland-Unterstützung haben, bevor Mir fertig ist. Die Entscheidung auf die lange Bank zu schieben und zu sehen, ob aus Mir etwas wird sei eine schlechte Idee.

Wayland gegen Mir

Die Unterschiede zwischen Mir und Wayland seien eher gering. Ein Unterschied sei, dass Mir “server allocated buffers” verwendet und Wayland das Cient-seitig macht. Ob das ein Vor- oder Nachteil ist, könne er nicht sage. Hier würde er dem Wayland-Team vertrauen.

Weiterhin verwende Mir test-driven development. Gräßlin glaubt nicht, dass TDD Vorteile hat. Würde er das tun, müsste er seine eigenen Entwicklungen in Frage stellen. Dies seien auch schon die einzigen Unterschiede, die er bisher gefunden hat. Außer das Mir natürlich “toll” wird, sehe er keine weiteren Vorteile. Die Nachteile unterteilt er in separate Sektionen.

Speziell für eine Distribution

Im Moment ist Mir eine Lösung für nur eine Distribution. Bisher habe noch keine andere Distribution Interesse gezeigt, Mir zu paketieren. Gräßlin könne niht in die Zukunft blicken, aber die Erfahrung zeigt, dass Canonical-spezifische Lösungen bisher nicht in anderen Distributionen untergekommen sind (Unity, Ubuntu One, …).

Weiterhin kenne er keinen KDE-Workspace-Entwickler, der (K)Ubuntu im Einsatz hat. Die Kubuntu-Leute seien auch gut beraten, keine Downstream-Patches einzuführen, um KDE auf die Ubuntu-Basis zu dengeln. In diesem Fall könnte das KDE-Team ganz einfach nicht mehr helfen.

Architektur, Lizenz und Protokol

Mirs Architektur sei komplett auf Unity eingeschossen. Gräßlin wsste auch noch nicht, wo genau die Reise hingeht, aber soweit er es versteht, wird Unity Next eine Kombination aus Fenster-Manager und Desktop Shell sein. Diese Trennung passe nicht in das eigene Design. Weiterhin wisse man nicht, ob Mir mit anderen Desktop-Umgebungen außer Unity Next so einfach zusammenspielt.

Wayland sei wie X auch unter der MIT-Lizenz veröffentlicht, die sich für den Display Server auch bewährt hat. Mir hingegen bedient sich der Lizenzen GPLv3-only mit CLA. Die meiste KDE-Software sei GPLv2 oder später. Wenn man den Code auf GPLv3-only umstelle, könnte KWin plötzlich als Abkömmling von Mir angesehen werden. Das ganze CLA-Zeugs gefällt Gräßlin auch nicht und Mir sei alleine schon wegen der Lizenzen inakzeptabel.

Update und Danke an Dakira, der das mit den Lizenzen in ein verständlicheres Licht rückt: 

Richtig ist: Wenn KWin Mir benutzt, muss es nach GPLv3 als abgeleitetes Werk angesehen werden, wodurch sich die Lizenz von KWin (GPLv2-oder-höher) automatisch auf GPLv3-only ändert. Damit zwänge Mir dem KWin-Projekt seine Lizenz auf. Vermeidbar wäre dies durch Nutzung einer MIT- oder Apache-Lizenz. Auch die LGPLv3 erlaubt die “Nutzung”, ohne dass der “Nutzer” automatisch ein abgeleitetes Werk darstellt. Exakt dafür wurde die LGPL geschaffen.

Eine der wichtigsten Eigenschaften von Wayland sei, dass man das Protkoll erweitern könne. Mir habe aber nicht wirklich ein Protokoll. Somit könne man das auch nicht anzapfen. Da die eigenen Architektur anders ist, brauche man das Protokoll zur Kommunikation zwischen der Desktop Shell und dem Compositor. Somit müsste man bei einer Unterstützung von Mir ein eigenes Protokoll verwenden und das sei Wayland. Um Mir zu unterstützen, müsste man Wayland oben drauf setzen und das sei einfach total sinnlos.

Weiterhin ist das Protokoll zwischen Mir Server und Mir Client als instabil bezeichnet und es können Dinge plötzlich nicht mehr funktionieren. Für Canonical sei das OK, weil sie den kompletten Stack unter Kontrolle haben. Für Gräßlin ist das ein Showstopper.

Gräßlin hofft klargestellt zu haben, dass Mir für KWin keine Option sei. Es gebe keinen einzigen Vorteil gegenüber Wayland und das instabile Protokoll und die Lizenzprobleme seien nicht akzeptabel.

Und Kubuntu?

Für Kubuntu sei die Mir-Ankündigung eher verwirrend und hat einige Fragen ans Tageslicht gebracht. Gräßlin hat eine davon nun klipp und klar beantwortet, dass Upstream Mir nicht unterstützen wird. Was das für Kubuntu bedeutet, lässt sich im Moment nicht sagen.

Patches im Stack

Laut Gräßlin habe Ubuntu schon immer einen der schlimmsten Grafik-Stacks in der freien Software-Welt gehabt. Dies sehe man einfach, wenn man einen Blick auf den Bugtracker wirft. Die Mesa-Qualität ist unzureichend und man müsste den Mesa-Stack für Mir weiter patchen. Mesa müsste aber auch mit Wayland-Unterstützung ausgegeben werden. Ob Canonical das tut oder ob Kubuntu und andere Ubuntu-Derivate sich selbst darum kümmern müssen steht in den Sternen.

Zwischen Sitzungen umschalten

Ein Vorteil von freier Software sei, dass man die Desktop-Umgebung und den Login-Manager frei wählen kann. Dies sei in einer Mir-Welt nicht mehr länger möglich. Aus diesem Grund sei es interessant zu sehen, wie sich dieses Dilemma lösen lässt, damit *buntu-Anwender zwischen KDE Plasma, GNOME, Xfce und so weiter frei auswählen können.

Woher die Pakete nehmen?

Bisher habe Canonical X, Wayland und Mesa als Pakete ausgegeben. Ob das weiterhin der Fall sein wird, muss die Zukunft zeigen. Aber woher will man diese nehmen. Debian unstable scheint die logische Wahl zu sein. Allerdings befindet sich Debian vielleicht in einem eingefrorenem Zustand und man könne die Pakete nicht verwenden.

Es gibt also mehr als genug Fragen, die Canonical klären muss. Es sieht tatsächlich so aus, als hätte sich Canonical mehr Arbeit aufgebürdet, wenn sie weiterhin alle Geschmacksrichtungen offiziell unterstützen wollen. Ich geh mir jetzt mal openSUSE (oder xyz-KDE-Distribution ohne *buntu-Basis) ansehen …




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6 Kommentare zu “Kubuntu und Mir oder das Chaos beginnt jetzt”

  1. freiheit says:

    Irgendwie scheinen mir die von Martin genannten Gründe genauso dünn wie das Marketinggeblubber von Mark. Das was ich aus dem Artikel lesen kann, es gibt zwischen Martin und Mark persönliche differenzen.

    Weder Mir noch Wayland überzeugen mich wirklich.

    • jdo says:

      Ich würde Lizenzprobleme und die Protokoll-Geschichte nicht unbedingt als dünn bezeichnen. Weiterhin wäre ich auch stinksauer, wenn irgendjemand mir ins Wohnzimmer kacken würde und ich die Sauerei dann aufwischen darf. Hätte sich Canonical hingestellt und gesagt: Wir entwickeln Mir und unser Fokus ist rein auf Unity und nicht "KDE wird damit laufen", hätte man eine ganz andere Grundlage. Nun muss das KDE-Lager mit rechtfertigen (was Zeit kostet), warum das Leben für Kubuntu in Zukunft schwieriger werden könnte.

      Canonical hat einfach alle mit reingezogen, obwohl das nicht notwendig gewesen wäre. Dann muss man sich nicht wundern, wenn scharf zurückgeschossen wird.

      • dakira says:

        Den Punkt um die Lizenzen hast du etwas falsch übersetzt. Es ist nicht richtig, dass KWin als Abkömmling von Mir angesehen wird, wenn man auf GPLv3 umstellt.

        Richtig ist: Wenn KWin Mir benutzt, muss es nach GPLv3 als abgeleitetes Werk angesehen werden, wodurch sich die Lizenz von KWin (GPLv2-oder-höher) automatisch auf GPLv3-only ändert. Damit zwänge Mir dem KWin-Projekt seine Lizenz auf. Vermeidbar wäre dies durch Nutzung einer MIT- oder Apache-Lizenz. Auch die LGPLv3 erlaubt die "Nutzung", ohne dass der "Nutzer" automatisch ein abgeleitetes Werk darstellt. Exakt dafür wurde die LGPL geschaffen.

        • jdo says:

          Danke für den Hinweis. Ich ändere es, wobei sich an der Problematik nichts ändert.

  2. Matthias Shalom says:

    Mageia 3 is rising...:D

    • praetoriuss says:

      OpenSUSE 12.3 mit traditionellem KDE-Fokus ist schon da. Und ein tolles Release!