Collabora Online für Raspberry Pi 4 (CODE) – ist das schnell genug?

Kein Kommentar Autor: Jürgen (jdo)

Vor wenigen Tagen wurde CODE (Collabora Online) in einer ARM64-Version veröffentlicht. Damit lässt es sich auf einem Raspberry Pi installieren und das Team rät mindestens zu einem Pi 4. Gut, viel darüber gibt es derzeit nicht – ein Raspberry Pi 400 wäre noch möglich.

Wichtig an dieser Stelle ist, dass sich der eingebaute CODE-Server für ARM64 auch direkt aus dem Nextcloud App Store installieren lässt. In der offiziellen Ankündigung hat das fast so geklungen, als würde man die Ubuntu Appliance brauchen, um die Software nutzen zu können. Das ist nicht der Fall.

Ich habe den CODE-Server für den Raspberry Pi mit der Ubuntu Appliance getestet, weil für viele die Installation auf diese Weise am einfachsten ist. Allerdings brauchst Du ein SSO-Konto von Ubuntu. Das ist allerdings kostenlos.

Nextcloud Appliance von Ubuntu installieren

Klären wir zunächst kurz, was wir für unseren Test benötigen:

  • microSD-Karte (mindestens 4 GByte, besser 8 GByte) – ich würde auch eine größere microSD-Karte nehmen, weil CODE für Raspberry Pi etwas größer ist. Willst Du das Setup dauerhaft behalten, kann mehr Speicher auch nicht schaden. Schnelle microSD-Karten mit 128 GByte gibt es bereits für unter 20 Euro*.
  • Ein Raspberry Pi 4 – theoretisch kann auch ein Pi 3 mit 64-Bit umgehen. Allerdings rät das Team aus Performance-Gründen für CODE davor ab. Ich selbst betreibe NextCloudPi als reinen Sync-Server auf einem Pi 3 und das klappt einwandfrei.
  • Natürlich die üblichen Kabel, Stromversorgung und so weiter.
  • Einen Computer, mit dem Du das Abbild auf die microSD-Karte schreiben kannst.
  • Ein Betriebssystem, mit dem Du SSH-Schlüssel erzeugen kannst (quasi jede Linux-Distribution kann das).

Vorsicht: Der Prozess überschreibt alle Daten auf der microSD-Karte. Sollten sich Daten darauf befinden, die Du noch brauchst, sichere sie.

Zunächst einmal benötigst Du das Abbild der Ubuntu Appliance. Du findest es hier als kostenlosen Download. Im Anschluss schreibst Du das Image auf die microSD-Karte. Ich habe das mit dem Imager der Raspberry Pi Foundation gemacht. Es gibt mehrere Optionen an dieser Stelle.

Ubuntu Appliance mit Nextcloud auf die microSD-Karte schreiben

Ubuntu Appliance mit Nextcloud auf die microSD-Karte schreiben

Der Vorgang dauert je nach Geschwindigkeit der microSD-Karte ein bisschen.

Das Ding mit dem Ubuntu-Konto

Nun kommt der vielleicht verwirrendste Teil der ganzen Installation. Benutzt Du bereits eine Desktop-Linux-Distribution, kannst Du Dir den ersten Schritt vielleicht sparen.

  • Du brauchst ein SSH-Schlüsselpaar auf Deinem Desktop-Rechner, damit Du Dich mit Deiner Maschine an der Ubuntu Appliance anmelden kannst.
  • Den öffentlichen Schlüssel hinterlegst Du bei Ubuntu. Damit verifizierst Du, dass Du Dich an der Appliance anmelden darfst.

Ist das bescheuert? Möglicherweise – ich sehe keinen triftigen Grund, warum man für eine interne Appliance ein Online-Konto benötigt. Wie immer wird das mit Security verkauft – allein mir fehlt der Glaube.

Hast Du bereits ein Schlüsselpaar, kannst Du Dir den Schritt möglicherweise sparen. Bei mir unter Linux Mint liegt das Schlüsselpaar im Ordner ~/.ssh. Bevor Du irgendwelche Schlüssel überschreibst, kannst Du das an dieser Stelle prüfen. Der Befehl

ssh-keygen -t rsa

leitet den Prozess ein, um das Schlüsselpaar zu generieren. Der Befehl schlägt außerdem das Standardverzeichnis vor. Hast Du noch kein Schlüsselpaar, kannst Du den Anweisungen folgen und generierst damit die notwendigen Schlüssel.

Sind die Schlüssel erzeugt, legst Du Dir ein Ubuntu-Konto an und kopierst den Inhalt des öffentlichen Schlüssels (normalerweise ~/.ssh/id_rsa.pub) danach unter https://login.ubuntu.com/ssh-keys in das entsprechende Feld. Warum Du den Inhalt selbst ausgeben und kopieren musst und es keine Upload-Funktion für die Datei gibt – ich weiß es nicht. Den Inhalt des öffentlichen Schlüssels kannst Du Dir zum Beispiel mit

cat ~/.ssh/id_rsa.pub

ausgeben lassen. OK, das Drama ist vorbei und ab jetzt wird es einfacher.

Raspberry Pi 4 mit Ubuntu Appliance starten

Nun steckst Du Deine microSD-Karte in den Raspberry Pi 4 und startest ihn. Nun folgen ein paar Konfigurations-Schritte.

Zunächst darfst Du das Netzwerk konfigurieren. Ich habe meinen Pi 4 ganz pragmatisch mit einem LAN-Kabel verbunden. Du könntest hier aber auch die WLAN-Schnittstelle einrichten.

Nun wirst Du aufgefordert, die E-Mail-Adresse einzugeben, die Du bei Deinem Ubuntu-SSO-Konto verwendest. Beachte an dieser Stelle, dass die Tastatur Englisch ist (US glaube ich). Das @ findest Du auf jeden Fall unter der Tastenkombination + 2 (↑ ist Shift oder Hochstelltaste). Dein System ist nun mit dem Ubuntu-Konto verbunden und verrät Dir auch, wie Du via SSH Zugriff darauf bekommst.

Ein Zugriff ist übrigens nur remote möglich. An der Appliance selbst kannst Du Dich nicht anmelden oder direkt damit arbeiten. Auch an dieser Stelle hätte ich zumindest gerne die Wahl, mir lokalen Zugriff zu gewähren.

Ab sofort hast Du auch Zugriff auf die Nextcloud, die in der Ubuntu Appliance für den Raspberry Pi vorinstalliert ist.

Tipp: Ich habe meinem Raspberry Pi 4 über den DHCP-Server eine statische IP-Adresse gegeben. Ich mache das ganz gerne auf diesem Weg, weil die Verwaltung dann zentral ist. Außerdem muss ich mich nicht mit den unterschiedlichen Schnittstellen der jeweiligen Betriebssysteme befassen.

Nextcloud einrichten

Du bekommst auf Deine Nextcloud Zugriff, indem Du http://nextcloud.local oder http://<IP-Adresse des Pi> in Deinem Browser eintippst. Ja, das ist wirklich http und nicht https. Du vergibst beim ersten Aufruf ein Administrator-Konto und darfst Dich dann noch entschließen, ob Du die empfohlenen Apps installieren möchtest oder nicht. Das sind Kalender, Kontakte, Talk, Mail sowie Gemeinsame Bearbeitung. Mit letzterem ist übrigens Collabora Online für Raspberry Pi gemeint.

Einrichtung der Nextcloud abschließen

Einrichtung der Nextcloud abschließen

Der Haken ist per Standard gesetzt. Ich finde es an dieser Stelle schade, dass ich nicht einzeln auswählen kann. Vielleicht will ich die Mail-App nicht haben. Ich müsste sie manuell deinstallieren oder eben später nur gewünschte Apps installieren. Klicke ich auf Installation abschließen, dauert die Konfiguration etwas.

Die empfohlenen Apps werden installiert – auch Collabora Online für Raspberry Pi

Die empfohlenen Apps werden installiert – auch Collabora Online für Raspberry Pi

Bei mir ist das Herunterladen des eingebauten CODE-Servers fehlgeschlagen. Deswegen ein kurzer Exkurs auf die Kommandozeile.

Troubleshooting – Collabora Online für Raspberry Pi

Das Team weist auf der Website darauf hin, dass der relativ große Download in einem Timeout enden kann. In diesem Fall ist es vielleicht bessern, den eingebauten CODE-Server über die Kommandozeile zu installieren:

sudo -u www-data php -d memory_limit=512M ./occ app:install richdocumentscode_arm64

Beachte, dass www-data der User Deines Webservers ist. Bei Ubuntu, Debian und Derivaten heißt der User www-data. Bei SUSE ist es wwwrun und bei Red Hat / Fedora apache. Benutzt Du Arch und Derivate, dann ist es http.

Updates funktionieren via Kommandozeile so:

sudo -u www-data php -d memory_limit=512M ./occ app:update --all

Gibt es nun immer noch Timeouts bei PHP, versuche, das Speicherlimit zu erhöhen. In der Nextcloud-Dokumentation findest Du, wie das funktioniert.

Collabora Online für Raspberry Pi – zickig bei Ubuntu Appliance

Das Problem: Das funktioniert mit der Ubuntu Appliance so nicht. Der Befehl php wird zum Beispiel nicht gefunden. Der Befehl lässt sich nicht als www-data ausführen – obwohl es Ubuntu ist. Außerdem ist der Befehl ein ganz anderer:

sudo nextcloud.occ app:install richdocumentscode_arm64

Das hat dann zum Erfolg geführt. Collabora Online für Raspberry Pi war nun auf meiner Ubuntu Appliance installiert.

Via Kommandozeile konnte ich dann Collabora Online für Raspberry Pi installieren

Via Kommandozeile konnte ich dann Collabora Online für Raspberry Pi installieren

Das sollte echt irgendwo erwähnt sein. Da kündigen 3 Firmen (Nextcloud, Ubuntu und Collabora) ein Riesen-Ding mit der Ubuntu Appliance an und sämtliche Anleitungen beziehen sich auf andere Systeme.

Wie schnell ist Collabora Online für Raspberry Pi

Nun können wir uns endlich der eigentlichen Frage widmen: Wie leistungsfähig ist der eingebaute CODE-Server (ARM64) auf dem Raspberry Pi?

Zunächst einmal funktioniert es gar nicht. Ich wollte ein Dokument öffnen, das per Standard ausgeliefert wird: Welcome to Nextcloud Hub.docx

Colabora Online für Raspberry Pi lässt sich nicht laden

Colabora Online für Raspberry Pi lässt sich nicht laden

OK – ich hatte früher schon Schwierigkeiten mit dem CODE-Server, die sich mit einem Neustart lösen ließen. Aber auch nach dem Neustart der gleiche Fehler.

Also habe ich versucht, ein neues eigenes .odt-Dokument anzulegen. Auch das hat nichts gebracht und es gab den gleichen Fehler. Mein Raspberry Pi 4 hat übrigens 4 GByte RAM.

Gut, so schnell geben wir nun nicht auf. Versuchen wir die Sache mit NextCloudPi, schließlich soll man Collabora Online für Raspberry Pi oder ARM64 auch auf anderen Systemen installieren können.

NextCloudPi installieren

Du findest das Abbild für den Raspberry Pi im Download-Bereich der Projektseite. Mit dem Imager habe ich das Abbild ebenfalls wieder auf eine microSD-Karte geschrieben. Das Prozedere ist fast identisch.

NextCloudPi wurde eingerichtet und dann der CODE-Server entsprechend installiert. Wie schaut das nun aus? Es funktioniert!

Collabora Online für Raspberry Pi funktioniert mit NextCloudPi

Collabora Online für Raspberry Pi funktioniert mit NextCloudPi

Das dauert ein bisschen – zumindest der erste Start. Das Dokument lädt sich. In Sachen Performance habe ich gerade gemischte Gefühle. Sagen wir so. Wenn man langsam tippt, ist es OK. Sobald man aber schneller schreibt, wird es eine ziemliche Ruckelpartie. Das System kommt dann mit der Darstellung der Buchstaben nicht nach.

Nun muss ich zugeben, dass ich relativ schnell tippe. Deswegen sage ich: Als persönliche Lösung ist Collabora Online für den Raspberry Pi akzeptabel. Es reicht für Textverarbeitung, ein bisschen Tabellenkalkulation und auch Präsentationen. Wir dürfen nicht vergessen, was für ein Gerät wir vor uns haben. Sobald mehr Leute damit arbeiten, geht dem Pi mit 4 GByte wohl der Arbeitsspeicher aus. Die CPUs können damit umgehen, das ist nicht das Problem.

Mit einer CODE-Instanz auf meinem Pi 4 habe ich noch etwas Luft nach oben. Es sind noch knapp 700 MByte Arbeitsspeicher frei. Viel ist natürlich nicht, sollte die NextCloudPi noch andere Dinge erledigen.

Viel Luft nach oben ist nicht … aber es funktioniert

Viel Luft nach oben ist nicht … aber es funktioniert

Wie sich die ARM64-Version natürlich auf zorniger Hardware verhält, kann ich nicht sagen. Da es auf dem Raspberry Pi für den persönlichen Gebrauch aber schon akzeptabel ist, gehe ich davon aus, dass es mit schnellerer Hardware deutlich besser ist.

Der Underdog macht das Rennen

Ach, die Ironie! Liest man sich die Ankündigung von CODE ARM64 durch, gewinnt man den Eindruck, dass es eine komplette Sache ist – also das mit der Ubuntu Appliance. Der interne CODE-Server ist allerdings nicht vorinstalliert und die Installation bereitete auch noch Probleme. Kann man CODE dann endlich auf das System prügeln, dann funktioniert die Sache nicht.

Der Underdog gewinnt. NextCloudPi machen meiner Meinung nach nicht nur das bessere System mit mehr Funktionen, sondern auch das offenere. Ich habe NextCloudPi und die Ubuntu Appliance schon Mal direkt verglichen. Für mich ist NextCloudPi der ganz klare Gewinner. Das Sahnehäubchen ist natürlich, dass Collabora Online für Raspberry Pi und ARM64 damit funktioniert. Schadenfreude? Schon ein bisschen, muss ich zugeben.

Es wundert mich nicht wirklich

Ich betone immer wieder, wie gerne ich Nextcloud mag und dass ich es selbst einsetze. Deswegen finde ich die Ankündigungen zu nicht oder schlecht funktionierenden Sachen eher traurig. Ich frage mich wirklich, ob die Sachen irgendwer außerhalb des Labors überprüft hat. Ich habe mich an die Anleitungen gehalten, die allein nicht gereicht hätte. Zum Glück konnte ich auf etwas Fachwissen zurückgreifen, womit zumindest die Installation geklappt hat. Hätte ich mir auch sparen können, weil ich nicht bestätigen kann, dass Collabora Online für den Raspberry Pi mit der Ubuntu Appliance funktioniert. Zumindest nicht auf meinem Raspberry Pi mit 4 GByte.

Nun muss ich aber der Fairness halber sagen, dass das Problem weder bei Collabora noch bei Nextcloud zu liegen scheint. Das Problem ist wohl das aktuelle Image der Ubuntu Appliance. Mit NextCloudPi klappt die Sache nachweislich. Trotzdem wirft es ein negatives Licht auf alle drei Firmen, wenn Dinge angekündigt werden, die nicht funktionieren.

Nette Pi-Konstellation

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