Red Hat und CentOS vereinen Kräfte: Wurde auch Zeit und von wegen erbitterte Feinde!
Liest man sich die Reaktionen zur künftigen Zusammenarbeit von Red Hat und CentOS durch, könnte man meinen, Nord-Korea hat gerade einen Friedensvertrag mit Süd-Korea unterschrieben und alle Grenzen geöffnet.
CentOS wurde im Jahre 2004 gegründet. Viele erinnern sich wohl noch daran, als sich Red Hat und CentOS in die Haare bekamen. Hier ging es aber meiner Erinnerung nach in erster Linie um Trademark-Probleme und nicht die Verwendung der Quell-Codes, die ja als Open-Source ausgegeben wurde. Red Hat verkaufte schon immer Services, Dienstleistung und Support und keine Software.
Allerdings war man anfänglich bei Red Hat auch sauer, wie ich aus erster Hand weiß (dabei kann es sich auch nur um Einzelpersonen gehandelt haben). Ich wurde vor Jahren und kurz nach der Herausgabe der ersten CentOS-Version auf eine Presse-Konferenz zu Red Hat eingeladen. Muss Ende 2004 oder Anfang 2005 gewesen sein. Das Datum weiß ich nicht mehr genau – es war auf jeden Fall saukalt.
In Gesprächen nach der Konferenz ließ man durchblicken, dass man CentOS als Bedrohung wahrnehme. Nach dem Motto: “Die klauen einfach unseren Code und machen uns mit einem Klon Konkurrenz!” – gut von Code-Klau kann nicht die Rede sein -> Open-Source.
Im Laufe der Jahre hatte man allerdings realisiert, dass CentOS dem Red-Hat-Universum mehr nutzt als schadet. Ich kenne einige Fälle, bei denen Studenten, kleinere Firmen und so weiter CentOS als Test-Umgebungen einsetzten. Ein RHEL-Server war denen zu teuer für diese Zwecke. Ich selbst habe in einer Firma gearbeitet, bei denen RHEL Server im Einsatz war, die Tests zum Großteil auf CentOS abliefen. Sobald es dann in den Unternehmens-kritischen Bereich ging, setzte man auf Abonnements und Support von Red Hat.
CentOS war schon immer eine hervorragende Möglichkeit, sich mit Red Hat Enterprise Linux vertraut zu machen. Nun könnte man das Argument bringen: Du kennst Fedora? Natürlich kenne ich Fedora. Das Problem an Fedora ist, dass es sich nur bedingt als Test-Umgebung eignet, wenn man RHEL im Einsatz hat. Fedora ist dazu da, Technologie schnell voranzutreiben. Für einen Langzeit-Einsatz ist Fedora zu wankelmütig und dafür ist es auch nicht gedacht.
Red Hat ist nicht umsonst die erste wahre Open-Source-Firma, die mehr als eine Milliarde US-Dollar Umsatz geknackt hat. Der Linux-Distributor ist seit langem einer der treibenden Kräfte im Bereich Open-Source. Ich gehe sogar so weit und sage, dass Red Hat einen Hauptanteil dazu beigetragen hat, dass sich Linux in den Data Centern der Welt als feste Größe etabliert hat.
Die Unterstützung seitens Red Hat für CentOS ergibt absolut Sinn. Die CentOS-Community ist groß. Mit gebündelten Kräften will man Cloud-Technologien, Software-defined Networking (SDN) und so weiter vorantreiben. Gemeinsam möchte man Innovation beschleunigen. Das wird auch so kommuniziert. Ebenso ist zu lesen, dass man die oben angesprochene Lücke zwischen RHEL und Fedora mit CentOS schließen möchte: Eine durch die COmmunity angetriebene Distribution, die konservativer als Fedora ist.
Ich bin schon immer Fan von Red Hat. Als reiner Anwender sieht man das vielleicht aus anderer Sicht. Installiere ich Fedora, funktioniert nicht alles “Out of the Box” wie ich das gewohnt bin. Zumindest dann nicht, wenn ich ein MP3 abspielen will und so weiter. Mit Repositories von Drittanbietern (zum Beispiel RPMfusion) lassen sich diese Umstände adressieren. In Sachen Innovation für die eingesetzten Technologien der Zukunft ist Fedora eine Wunderkiste. Da ich allerdings bezüglich Desktop bequem bin, nehme ich eben eine Distribution, die mir weniger Handarbeit beschert.
Zwischen CentOS und Red Hat herrscht schon lange kein Krieg mehr, wenn es diesen überhaupt jemals in so einer Form gab wie uns einige Blätter Glauben machen wollen. Ich frage mich hingegen, warum sich Red Hat mit diesem Schritt so lange Zeit gelassen hat. Durch dieses Bündnis gibt es keine Verlierer. Es ist eine absolute Win-Win-Situation und wird Open-Source meines Erachtens nachhaltig helfen.
hey jürgen.
ich kenne zwar kaum produkte von red hat, bin aber überrascht, wie sehr du den zusammenschluss feierst. ich bin persönlich sehr an der open source bewegung interessiert und nutze soweit dies möglich, ausschließlich derartige anwendungen und produkte. aber könnte es nicht sein, dass hier ein zu großer player für die szene entsteht?
alles gute
Das glaube ich nicht. Und so lange Red Hat Open-Source so lebt schon gleich 2x nicht.
Aber das Problem ist doch grade, dass wir in der jüngeren Vergangenheit mit der Übernahme von Sun durch Oracle ein mahnendes Beispiel dafür bekommen haben, was passiert, wenn ein Großkonzern – aus welchen Gründen auch immer – beschließt, Open Source ebnen nicht mehr zu leben, und welche Kolateralschäden sich daraus für die FLOSS-Gemeinschaft ergeben. Ich denke da an Projekte wie OpenOffice, MySQL, Solaris …
In all diesen Fällen haben sich zwar schlussendlich von der Firma losgelöste, mehr oder weniger erfolgreiche Abspaltungen gebildet (LibreOffice, MariaDB, OpenIndiana, …), aber auf die Trennungsschmerzen hätte ich gut verzichten können.
Leider kann es keine Garantie geben, dass RedHat nicht eines Tages zu EvilHat werden/von ihnen übernommen werden wird. Deshalb finde ich es nicht zu gut, wenn jetzt die Namensrechte etc. von CentOS unter die Kontrolle von RedHat kommen.
Aber das ist die pessimistische Sicht der Dinge; Deine dagegen ist die Optimistische. Hoffen wir, dass Du Recht behälst …
http://www.bitblokes.de/2014/01/red-hat-und-centos-vereinen-kraefte-wurde-auch-zeit-und-von-wegen-erbitterte-feinde/
Das Problem mit Oracle war doch vielmehr, dass eine Firma die quasi nie ernsthaft was mit der OpenSource-Kultur am Hut hatte auf einmal einen Haufen FLOSS-Produkte im Portfolio hatte und dementsprechend diletantisch damit umgegangen ist. Hätte Oracle OpenOffice mit ihrem heutigen Wissen übernommen wäre es vielleicht gar nicht zum Fork gekommen, da sie besser auf die Community eingegangen wären. Auch und vor allem in ihrem eigenen Interesse.