Woher kommt der ganze Frust? Weil Du nur gegen Wände rennst

5 Kommentare Autor: Jürgen (jdo)

Nach ein paar Nächten über die Sache schlafen, wollte ich noch einen Nachtrag schreiben, woher der ganze Frust kommt, dass ich keine Lust mehr auf bitblokes.de habe. Meine Meinung habe ich nicht geändert und ich muss mich eigentlich nicht rechtfertigen, wollte aber mal einen Einblick dazu geben, wie das im Web eigentlich zugeht.

Der Frust hat sich natürlich über einen längeren Zeitraum aufgestaut und hatte auch mit Jobs zu tun, die ich in den vergangenen Jahre angenommen hatte. Das waren nicht immer nur IT-Sachen, sondern auch andere Schreib-Jobs. Hier ein paar Highlights, die zeigen sollen, dass es schon lange nicht mehr um den Inhalt geht. Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen und die ganz krassen Geschichten behalte ich auch lieber für mich. Aber hier zwei Beispiele aus dem Alltag, die den ganz normalen Wahnsinn widerspiegeln.

Bayer-Kreuz als Top-Sehenswürdigkeit verkauft

Eine Weile hatte ich gesponserte Posts geschrieben, bei denen aber mein Name nie aufgetaucht ist. Mir war das auch völlig egal, weil es anständig bezahlt wurde. Die Richtung wurde vorgegeben und ich musste sie dann einfach entsprechend zurecht dichten. Auf jeden Fall ging es nur darum, einen Link zu einer bestimmten Casino-Website einzubetten. Da das Thema aber nach Vorgabe immer zur jeweiligen Website passen muss, ging es in diesem Fall um Leverkusen.

Die Vorgabe war, Gründe / Highlights für einen Urlaub in Leverkusen zu (er)finden und einer davon ist, im Casino zu zocken. Problem Nummer 1 ist schon, dass es in Leverkusen an sich keine Spielbank gibt, die nächste ist in Duisburg. Das ist aber scheißegal, denn es geht nur um den Link auf das Online-Casino.

Jetzt denk Mal selbst kurz nach, was Dir einen Urlaub in der Weltstadt Leverkusen schmackhaft macht. Mir sind auf Anhieb 0 eingefallen. Wenn dann noch Tripadvisor das Bayer-Kreuz in den Top-Sehenswürdigkeiten listet, dann weißt Du, was nicht auf meiner Liste mit Muss ich hin zu finden ist. Also nichts gegen das Ding und seine Geschichte, aber das ist kein Grund, warum ich eine Stadt besuchen will!

Einfach kreativ sein, es wurde so vorgegeben und nur der Link zählt

Einfach kreativ sein, es wurde so vorgegeben und nur der Link zählt

Das Kolosseum in Rom, der Eiffelturm in Paris, die Pyramiden von Gizeh und das Bayer Kreuz in Leverkusen … wer würde das nicht in einem Atemzug nennen?

So kriegen Dich die Hacker nie!

Für eine andere Website war die Vorgabe sinngemäß: Hättest Du ein VPN benutzt, wäre der Datenbank-Hack von Firma XYZ für Dich kein Problem gewesen.

Nachdem ich den Verantwortlichen darauf hingewiesen habe, dass meine Daten das VPN ja irgendwann wieder verlassen müssen, um in die Datenbank von Firma XYZ zu gelangen und die Vorgabe deswegen Unsinn ist, kam zurück, dass es schon in Ordnung so sei. Der Leser soll ja verunsichert werden und schnell etwas kaufen, weil er Angst hat.

Ich bin großer Fan von VPNs, vor allen Dingen, weil ich relativ viel unterwegs bin, aber aus anderen Gründen. Ja, auch um mich vor Hackern in öffentlichen WLANs zu schützen, Zensur zu umgehen und Geoblocking auszuhebeln. Dafür funktionieren die Dinger echt gut. Mir wäre aber nicht bekannt, dass sich damit meine Daten dauerhaft schützen lassen, die sich in einer DB eines fremden Servers befinden.

Du denkst nun vielleicht, weil Du wie die meisten Leser hier vom Fach bist: “Wer bitte fällt auf so einen Schwachsinn herein?” Mehr als Du denkst, das ist ja das Traurige.

Kodi ist Open Source und deswegen wirst Du leichter Opfer von Cyberkriminellen

Das muss ich gar nicht weiter ausführen, oder? Das wurde sogar ausgebessert, nachdem ich darauf hingewiesen habe.

Aber es hat mir die Augen geöffnet, dass über Upwork und die ganzen anderen Preis-Drück-Portale ein paar Schreib-Affen für billigst angestellt werden, die dann mit größtmöglicher Geschwindigkeit einen dermaßenen Stuss verzapfen, dass wirklich alles zu spät ist.

Aber soll ich Dir was sagen? Es ist egal, weil es rankt! Die Prämisse lautet: Schreibe für Google, obwohl Google genau das Gegenteil behauptet, was Du tun sollst. Totale Heuchelei, das Ganze.

Das wird alles bis zum Abwinken SEO-optimiert

Diese Artikel, richtig oder falsch, Blödsinn oder nicht, laufen dann durch die SEO-Abteilungen der Auftragsgeber. Vorher wurde wohl auch schon Recherche gemacht, in welche Richtung es gehen soll, sonst bekäme ich ja keine Anweisungen.

Nun wird der Scheiß so lange getweakt und verändert und hingebogen, bis er gut rankt. Dann ist das Ziel erreicht. Hauptsache man ist auf Seite 1 bei Google und vor den anderen. Notfalls wird einfach nachgeholfen und sich ein paar Links gekauft.

Im Web geht es schon lange nicht mehr fair zu und Google billigt es, behaupte ich

So, da arbeiten nun also diese ganze schlauen Leute bei Google mit den unglaublichen Algorithmen und die sind dann aber zu doof, um zu erkennen, dass jeder einzelne Casino-Link im Web gekauft ist? Da lachen ja die Hühner.

Auch mit dem ganzen anderen, so dermaßen offensichtlich SEO-optimiertem Dreck, nur um auf Seite 1 zu landen, verhält es sich ähnlich. Die Inhalte müssen nicht stimmen (gut, das können sie schlecht überprüfen), aber Hauptsache Likes und Tweets stimmen, die dann teilweise auch noch eingekauft werden. Das gilt auch für Rezensionen, Kommentare und so weiter und so fort.

Auf Googles Seite 1 ist nicht zwingend das, was so gut ist, sondern was da hin geSEOt wurde. Es wird Unmengen Geld investiert, um auf dem Verkaufsportal Google ganz oben zu sein, damit man Dir unterm Strich wieder mehr Geld aus der Tasche ziehen kann.

Der Großteil des Webs ist eine einzige große Lüge, die Dich als Konsumenten und sonst nichts mehr anderes sieht. Kaufst Du, bist Du gut. Tust Du das nicht, kann man eigentlich auf Dich verzichten. In Sachen der SEO und Werbeabteilungen bist Du nichts anderes als eine laufende Geldbörse, auch Klickvieh habe ich schon fallen hören.

Deswegen liebe ich die Open-Source-Szene eigentlich

Die letzten Bastionen, in der es noch einigermaßen fair zugeht, sind Open Source und unabhängige Portale, Blogs und so weiter. Die haben es aber zusehends schwerer. Sie werden von den anderen weg geSEOt und gleichzeitig setzen clevere Leser, die die Schnauze von dem Dreck ebenfalls voll haben, natürlich Ad-Blocker ein und ich rate wirklich jedem, sich für zu Hause Pi-hole zu holen, um den ganzen Mist aus dem LAN zu bannen.

Solche Leute, wie eben beschrieben, sind auch Facebook, Twitter und den ganzen anderen Kraken viel skeptischer gegenüber. Das ist auch gut so, wirkt sich aber kontraproduktiv auf das Ranking Deiner favorisierten Blogs aus, die es dann im Abwärtsstrudel noch schwieriger haben.

Schließlich sind Likes, Tweets, Pins oder wie der ganze Scheiß heißt, zu einer neuen Währung geworden, die auf das Ranking Einfluss haben. Nun haben unabhängige Blogger aber keine eigene SEO-Abteilung und der Tag hat ja auch nur 24 Stunden plus sie verlieren im Rennen um Social Media zusätzlich.

Du musst Dir das auf der Zunge zergehen lassen. Die Website stünde meiner Meinung nach wesentlich besser da, wenn die Leser dümmer wären.

Du hast Chancen, bis die Geier Wind davon bekommen

Gute Chancen hat man immer, wenn man zuerst etwas Neues und Spannendes entdeckt. Das geht aber nur solange gut, bis die großen Wind davon bekommen und Dich auch wieder verdrängen. Ich kann mich da an echt unsägliche Ubuntu-Artikel von größeren Blättern erinnern, die zwar nicht gut oder tief waren, dafür aber auf Seite 1 bei Google. Warum meist Ubuntu als Thema genommen wird, muss ich wohl nicht weiter erklären.

Es ist ein Teufelskreis, den die Werbetreibenden, die den Hals nicht voll kriegen konnten, mit zu verantworten haben. Da kann Springer noch so viel gegen Eyeo klagen, aber die rennen unterm Strich auch nur gegen die Wand. Dann nehmen die Leute eben was anderes. Durch nervige Popups, Vollbild-Werbung, automatische Videos und so weiter haben es die Werbetreibenden so übertrieben, dass sich die Leute zurecht gewehrt haben. Ich habe auf meiner Seite immer versucht, die total nervige Werbung zu vermeiden. Auch gibt es keine Einblendungen in Texten und so weiter, weil mir das selbst ein Dorn im Auge ist. Werbung, die aber nicht stört, wird schlechter bezahlt und mehr Ad-Blocker bedeuten drastische Einbrüche.

Die einzige Chance, die man dauerhaft hätte, wären Spenden. Da es aber nicht mein Stil ist, dauernd um Spenden zu betteln, fahre ich die Seite lieber komplett zurück und betreibe sie mehr oder weniger als privaten Blog. Schreibe ich eben wieder Schwachsinn für andere, mein Name taucht ja nicht auf.

Ein paar Zahlen

Nur Mal so als Hausnummer: 2018 sind 65 Euro Spenden eingegangen, eine davon war sogar 30 Euro. Also knapp über 5 Euro pro Monat. Für einen ausgiebigen Test mit Installation und aufschreiben aller Schritte und so weiter geht schon Mal locker ein Tag drauf, wenn es reicht.

Vielen Dank für die Spenden, ich habe mich über jede einzelne gefreut. Aber leider deckt das nicht einmal die Hosting-Kosten ab, obwohl die nur 9 Euro pro Monat sind (gut, läuft meine Nextcloud auch noch drauf, aber trotzdem).

Durch die Werbung werden die Hosting-Kosten schon gedeckt, aber binnen der vergangenen 3 Jahre sind die Einnahmen über Werbung um weit über 50 % gesunken. Ziehe ich Hosting-Kosten und so weiter ab, blieben in letzter Zeit durch Spenden und Werbung zirka 100 Euro pro Monat hängen. Dann habe ich überschlagen, was mich der Auftritt an Stunden kostet, inklusive Administration und so weiter. Es gehört ja schließlich etwas mehr dazu, als nur Beiträge zu verfassen. Unterm Strich habe ich mich nun entschlossen, dass ich die 100 Euro gar nicht brauche und mir damit im Endeffekt Freizeit kaufe.

Natürlich habe ich das nicht nur wegen des Geldes gemacht, weil reich wirst Du davon eh nicht. Motivierend ist es aber schon, wenn Du speziell das Geld dann für bestimmte Gadgets ausgibst und genau weißt, wofür Du den Aufwand betrieben hast. Irgendwann kommst Du aber an den Punkt, an dem die Sache in Frust umschlägt und dann wird es zur Belastung.

Keine aufwendigen Sachen mehr, die viel Zeit in Anspruch nehmen

3-4 seichte News pro Woche gehen schnell und die Seite bleibt am Tropf. Kann ja sein, dass sich die Sache irgendwann Mal bessert. Hier und da einen Reisebericht und in nächster Zeit vielleicht ein paar Fotos, die schon lange rumliegen.

Aber Zeit für lange Schritt-für-Schritt-Anleitungen oder Tests und so weiter, stecke ich vorerst keine mehr in den Blog. Aus oben genannten Gründen ist mir die Lust gründlich daran vergangen. Die paar doofen Kommentare in der jüngeren Vergangenheit waren eigentlich nur der berühmte Tropfen …

So, das musste nun raus und nun werde ich mich wohl wieder vermehrt im Lager der Gebrüder Grimm aufhalten. Das ist zwar nicht toll, dafür aber urkomisch, wenn man seinen Abstand dazu hält, wird aber erstaunlich anständig bezahlt. Zumindest gibt es mehr als 1 Euro pro Stunde.




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5 Kommentare zu “Woher kommt der ganze Frust? Weil Du nur gegen Wände rennst”

  1. Michael says:

    Das System Google ist leider im Eimer. Auf der einen Seite möchte die Abteilung Search den Usern die besten Ergebnisse zeigen und auf der anderen Seite ist AdSense womit Google seine Brötchen verdient und der Shareholder Value.

  2. Micha says:

    Schade!

  3. Hans P. says:

    Ich versteh dich 100%.
    Die - sagen wir's offen - Lügen aus Werbung/Marketing/Verkauf sind mit ein paar logischen Gedanken durchschaut und nicht auszuhalten. Technik ist komplex, aber das "will man dem Kunden nicht zumuten". Aber ins Haus stellen soll er es sich - eventuelle Risiken und Nebenwirkungen auf Seite 54 der Lizenzbedingungen in Juristenchinesisch angedeutet und nur nach einem halben Informatikstudium näherungsweise verständlich.

    Nur: ist es eine Lösung, dann selbst noch an dem Irrsinn mitzuwirken? Wie hält man das im eigenen Kopp aus?

    Kann doch nicht angehen, dass sich die ganze Welt frewillig verblöden lässt - und man weiß es und macht dabei noch mit?
    Es gibt genug Leute, die den medialen Schwachsinn vermutenund nicht mögen - aber mangels besser zugänglicher Quellen dabei bleiben. Diese Quellen müsten geschaffenw erden. Und das können nur Leute wie du.

    Ich selbst habe - allerdings im Real Life - gute Erfahrungen mit "zahl soviel du dir leisten kannst"-Modellen gemacht. Voraussetzung ist nachvollziehbare Transparenz über Aufwand/Kosten.
    Und dann muss natürlich ein Nutzen erkennbar sein. Dann zahlen die Leut - und auch gern mal mehr, wenn sie können.

  4. Sascha says:

    Moin Jürgen,

    ich kann dich sehr gut verstehen.
    Seit 2009 betreibe ich den Konsolengrill und hab in den letzten Jahren immer wieder versucht, das Projekt noch mal mit Leben zu befüllen.
    Aber auch hier sieht es ähnlich aus.
    Daher hab ich mich entschlossen, dieses Jahr zum 10 Jährigen, das Ende zu verkünden.

    Ich lese gerne deine Anleitungen, zumal sie mir auch schon öfter geholfen haben.
    Hast du schon mal überlegt, dir ne Patreon-Seite anzulegen?
    Vielleicht sind dann mehr Leute bereit, monatlich ne kleinen Beitrag zu leisten.

    Gruß Sascha

    • jdo says:

      Hallo,

      ja, habe ich alles schon überlegt. Aber das Problem ist, dass man sich zu leicht mit zu vielen Dingen verzettelt und dann frisst Dich der administrative Aufwand auf. Das tu ich mir einfach nicht an. Ich fahre den Aufwand einfach massiv zurück- Wenn ich ab und zu Lust habe, eine Anleitung zu schreiben, werde ich das auch machen. Aber den Aufwand wie früher betreibe ich nicht mehr.

      Viele Grüße