Diveroid – Smartphone wird zu UW-Kamera / Tauchcomputer – kein Fan

Ein Kommentar Autor: Jürgen (jdo)

Mir ist der Kickstarter-Link zu Diveroid nun schon mehrmals geschickt worden (Kampagne in der Zwischenzeit beendet). Teilweise wurde ich auch um meine Meinung gebeten. Ich tauche ja nun schon ein bisschen länger und muss ehrlich sagen, dass ich überhaupt kein Fan von Diveroid und Konsorten bin. Das hat mehrere Gründe. Hier ein Überblick der Kritikpunkte:

  • Das Ding sieht günstiger aus, als es in Wirklichkeit ist!
  • Auch Diveroid kann bei den Farben nicht zaubern, selbst wenn die Entwickler etwas anderes suggerieren.
  • Die Sicherheit überzeugt mich nicht, ich habe lieber einen separaten Tauchcomputer.
  • Anders gesagt: als Computer zu unsicher, als Ersatz für eine GoPro / Action Cam zu teuer und für Fotos völlig unbrauchbar

Bevor ich erkläre, was das Gerät eigentlich kann oder zu lösen versucht, möchte ich noch auf etwas hinweisen.

Im Idealfall hast Du beim Tauchen alle Komponenten redundant dabei. Beim Sporttauchen wird der doppelte Tauchcomputer in gewisser Weise durch das Buddy-System (man geht immer mindestens zu zweit ins Wasser) abgefedert. Trotzdem ist der Computer neben Deinem Finimeter (zeigt den Luftdruck an – oder wie viel Luft / Nitrox Du noch hast) das wichtigste Instrument. Persönlich will ich da ein Gerät haben, das nichts anderes tut und dafür spezialisiert ist.

Was ist Diveroid

Im Endeffekt handelt es sich um ein Unterwasser-Gehäuse, das bis 60 Meter Tiefe dicht ist und eine App anbietet. Das Gerät kombiniert Tauchcomputer, Unterwasserkamera und Logbuch. Wobei die meisten Tauchcomputer heutzutage auch irgendwie ein digitales Logbuch zur Verfügung stellen. Unter Wasser, also beim Tauchen, interessieren Dich wahrscheinlich aber nur Tauchcomputer und Kamera.

Diveroid verwandelt Dein Smartphone in Tauchcomputer und Unterwasser-Kamera ... wird behauptet

Diveroid verwandelt Dein Smartphone in Tauchcomputer und Unterwasserkamera … wird behauptet

Eine gute Sache hat Diveroid auf jeden Fall. Es passen fast alle Smartphones in das Gerät und Du musst kein spezielles Gehäuse für Deine Kamera kaufen. Das Gehäuse lässt sich innen an Dein Smartphone anpassen. Es ist also auch egal, ob Du ein Android-Gerät oder ein iPhone benutzt.

Sehen wir uns den Preis von Diveroid an

Die Entwickler behaupten, dass der separate Kauf von Tauchcomputer und Unterwasserkamera teuer sein kann. Das stimmt. Rechne ich aber den Einzelhandelspreis aus den Kickstarter-Angeboten hoch, komme ich beim Diveroid auf 420 US-Dollar.

Für ungefähr 150 Euro bekommst Du einen Cressi Leonardo* oder für knapp unter 200 Euro einen SUUNTO Dive Zoop Novo* (typischer Tauchcenter-Computer – günstig und tut genau, was er soll). Das sind echte Tauchcomputer von Firmen, die wirklich viel Erfahrung in dem Bereich haben.

Für knapp über 200 Euro gibt es eine GoPro HERO7 Silber*. Muss es nicht unbedingt eine GoPro sein, bekommst Du für viel weniger Geld so kleine Videokameras oder Actioncams inklusive Gehäuse, die auch bis 40 Meter wasserdicht sind. Das ist sowieso die Grenze der meisten Sporttaucher.

Die Argumentation, dass es günstiger ist, zieht also meiner Meinung nach nicht, zumal Du auch noch ein Smartphone brauchst.

Willst Du wirklich Dein Smartphone versenken?

Die Qualität der Videos unter Wasser hängen stark davon ab, wie gut die Kamera Deines Smartphones ist. Klar haben moderne Smartphones mitunter hervorragende Kameras, aber de kosten auch ordentlich Kohle.

Nun stell Dir vor, was alles auf Deinem Smartphone ist. Ebenfalls musst Du den Preis für Dein Smartphone auch einrechnen, sollte Dir das Gehäuse fluten. Das passiert übrigens schneller, als Dir lieb sein kann. Ein kleines Haar im O-Ring, ein bisschen Sand und so weiter.

Bei vielen Leuten befindet sich das gesamte Leben im Smartphone und wenn Du kein Backup hast, ist das eine riskante Sache. Vor allen Dingen willst Du im Urlaub nicht plötzlich Dein Smartphone verlieren, gehe ich davon aus. Im Idealfall hast Du also ein separates Smartphone mit einer guten Kamera für das Diveroid, aber dann wird es eben auch wieder teuer.

Die magischen Anpassungen der Farben

Die Farben sehen in den Werbevideos natürlich super aus. Auch klingt der Algorithmus fantastisch, der die Farben automatisch anpasst. Im Endeffekt ist es ein automatischer Weißabgleich, der stattfindet – so schätze ich die Sache ein.

Unter Wasser verschwindet Rot als erste Farbe und in geringen Tiefen kannst Du das mit Weißabgleich oder einem Rotfilter kompensieren. Gehst Du aber tiefer und die Farben sind weg, dann sind sie weg. Da hilft auch keine noch so magische Software, sondern nur noch Licht – viel Licht.

Willst Du also tiefer filmen, kannst Du nicht genug Licht haben. Es gibt auch Pakete, in denen Beleuchtung mit 1200 beziehungsweise 4000 Lumen dabei ist, aber das kostet Extra. Licht unter Wasser ist echt teuer, aber bitter nötig, sobald Du unter 10 Meter Tiefe gehst (meine Meinung).

Weißabgleich kann ich übrigens bei der Nachbearbeitung ebenfalls noch machen. Das kostenlose Kdenlive kann das zum Beispiel. Sind genug Informationen im Bildmaterial vorhanden, kann ich den Weißabgleich berechnen, ansonsten nicht. Das gilt auch für den magischen Algorithmus des Smartphones.

Bei guten Sichtverhältnissen können Software oder Rotfilter meiner Erfahrung nach bis zirka 10 Meter Wassertiefe noch ganz gut ausgleichen. Darunter wird es aber schon heikel.

Gute Fotos sind nicht möglich

Für kleine Filmchen in geringen Tiefen, taugt das Setup möglicherweise. Sobald Du aber gute Fotos machen willst, wird Dich Diveroid meiner Meinung nach bitter enttäuschen. Ich spreche aus eigener Erfahrung, weil ich mit einer GoPro und einem Videolicht versucht habe, vernünftige Fotos zu schießen. Mit einem Rotfilter hat das in geringeren Tiefen noch einigermaßen funktioniert, aber im Gegensatz zu einem vernünftigen Setup war es enttäuschend. Ich gehe sogar so weit und sage, es war rausgeworfenes Geld.

Wie gesagt, bekommst Du in geringen Tiefen vielleicht noch ein paar brauchbare Fotos aus Deinem Smartphone. Sobald es aber tiefer geht, geht ohne Blitze nichts mehr. Mein Smartphone kann aber keine externen Blitze auslösen.

 35 Meter Tiefe: Pygmäen-Seepferdchen – Ich bezweifle, dass Du in solchen Tiefen solche Farben mit dem Diveroid erreichst – schaffst Du nciht einmal in 20 Metern

35 Meter Tiefe: Pygmäen-Seepferdchen – Ich bezweifle, dass Du in solchen Tiefen solche Farben mit dem Diveroid erreichst – schaffst Du nciht einmal in 20 Metern

Willst Du hauptsächlich Fotos unter Wasser machen, ist ein Diveroid rausgeworfenes Geld!

Sicherheit ist in der Tat ein starkes Argument – aber nicht für Diveroid

Natürlich geht es beim Tauchen viel um Sicherheit. Wir befinden uns in einer Umgebung, in der wir nicht nativ sind. Das wissen auch die Entwickler von Diveroid. Die App bietet eigentlich den Standard an, was ein Tauchcomputer leisten sollte.

Steigst Du zu schnell auf, bekommst Du eine Warnung. Ebenso wirst Du an den Saftey-Stopp erinnert, wenn Du die Nullzeit und auch die für das Sporttauchen kritische Tiefe von 40 Metern erreichst.

Sicherheit bei Diveroid: Standard bei den meisten Tauchcomputern

Sicherheit bei Diveroid: Standard bei den meisten Tauchcomputern

Die Sache mit der Sauerstoffvergiftung ist beim Sporttauchen eigentlich nur relevant, wenn Du mit Nitrox tauchst. Ob das Gerät Nitrox kann, wird in den Kommentaren bejaht.

Diveroid kann Nitrox – aber kein Trimix

Diveroid kann Nitrox – aber kein Trimix

Trimix kann es nicht, aber die günstigeren Tauchcomputer bieten das auch nicht an. Es ist also alles da, was ein Tauchcomputer können muss.

Die Sache ist aber wie anfangs erwähnt so: Ein Tauchcomputer ist ein separates Gerät, das sehr wenig Batterie braucht und nur dafür da ist, Dich sicher zu halten.

Flutet Dein Gehäuse, ist Dein Tauchcomputer weg. Ist der Akku schon schwach und das Smartphone schaltet sich plötzlich aus, ist Dein Tauchcomputer weg. Was ist, wenn die App spinnt, abstürzt oder sich aufhängt?

Ich habe in diesem Fall lieber ein separates Gerät am Handgelenk, das nur eine Sache tut, die dafür aber perfekt. Deinen Tauchcomputer machst Du nicht dauernd auf und zu und die Batterie hält viel länger als bei einem Smartphone.

Wir verlassen uns immer mehr und zu viel auf die Technik

Es gibt noch weitere Vorteile, wenn Du die Tiefe und entsprechende Daten nicht immer direkt vor der Nase hast. Du entwickelst weniger schnell oder kein Gefühl dafür, wie tief Du eigentlich bist.

Ich kenne genug erfahrene Taucher, die können bei einigermaßen brauchbaren Sichtverhältnissen beim Auftauchen ohne Tauch-Computer zwischen 3 und 6 Metern einparken und ihren Sicherheits-Stopp von ungefähr 3 Minuten machen.

Hast Du die Daten nciht immer vor der Nase, versuchst Du oftmals, Deine Lage einzuschätzen. Bist Du Dir nicht sicher, verifizierst Du Deine Situation mit dem Tauch-Computer.

Glotzt Du nur noch auf einen Bildschirm, nimmst Du die Umgebung unter Wasser weniger wahr. Das ist an der Oberfläche ja auch nicht anders. Sonst müsste man nicht darüber reden, am Boden Fußgängerampel zu installieren.

Da UW-Spielzeug nun erschwinglicher geworden ist, nutzen es logischerweise auch mehr Leute. Ich habe aber auch Taucher gesehen, die einen kompletten Tauchgang durch einen winzigen Bildschirm erlebt haben. Da wären sie am Fernseher besser dran gewesen.

Ich würde lieber separate Komponenten nehmen

Die Idee an sich ist nicht schlecht und es nervt wirklich, immer neue UW-Gehäuse zu brauchen. Siehst Du Dir aber die negativen Argumente an, bist Du meiner Meinung nach besser beraten, Tauchcomputer und UW-Kamera separat zu kaufen.

Ich halte das Diveroid für überteuertes Spielzeug und mit einfachen, aber separaten Komponenten, kommst Du günstiger an fast die gleiche Qualität. Außerdem riskierst Du in so einem Fall Dein Smartphone nicht.

Persönlich schieße ich unter Wasser derzeit mit einer Sony RX100 III. Ein Gehäuse von Sony (RX100 III* 470 €.

Mit der Kombination bist Du bei 810 € und bekommst aber ein Gehäuse mit einem Filtergewinde. Du kannst also sogenannte Nass-Objektive einsetzen. Mit einem Dome und einer Sony RX100 III habe ich unter anderem folgende Bilder geschossen.

Der weniger gut getarnte Drachenkopf

Der weniger gut getarnte Drachenkopf

Meeresschildkröte

Meeresschildkröte

Schlangensterne - typisch für Raja Ampat

Schlangensterne – typisch für Raja Ampat

Kaiserfisch

Kaiserfisch

Kaufst Du ein Diveroid zum Marktpreis, kommst Du auf zirka 380 € und setzt Du ein iPhone 8 (Video auf der Kickstarter-Seite – 410 €) ein, kommst Du auch auf 790 Euro. Gut, nun hast Du noch keinen Tauchcomputer, aber eine wesentlich schlechtere Video- / Foto-Lösung – da bin ich mir sicher. Kaufst die Komponenten separat, bist Du nicht weit von dem Preis weg, aber Du hast spezialisierte Ausrüstung, die ihre Sache einfach besser macht.

Plus: Es ist übrigens auch ein echter Segen, das doofe Smartphone mal nicht in der Hand zu haben!

Sony RX100




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Ein Kommentar zu “Diveroid – Smartphone wird zu UW-Kamera / Tauchcomputer – kein Fan”

  1. Doug says:

    Das sind wirklich sehr schön Bilder. An dieser Stelle vielen Dank für die Einstellung.