Mark Shuttleworth: Nicht überzeugt von Rolling Releases

3 Kommentare Autor: Jürgen (jdo)

Ubuntu Logo 150x150Nun äußert sich der Chef mal persönlich zu den Rolling Releases, die immer wieder Stoff für Diskussionen sind.Shuttleworth sagt, dass es eines der Top-Anfragen aus der Community ist und bei einigen Canonical-Team-Mitgliedern gleichermaßen beliebt.

Sein Problem damit ist aber, dass er ein Rolling Release als gar kein Release an sich sieht. Solche Versionen würden wenig Sicherheiten für Anwender bieten, die diese gerne hätten. Außerdem würde man mit den täglichen Augaben den Entwickler genug zum Spielen geben.

Auch relativ am Anfang macht er klar, dass Rick Spencer zwar mit Leib und Seele hinter der Idee eines Rolling Release steht, aber er keine Entscheidungsgewalt habe. Somit ist schon mal geklärt, wer der Boss ist … 🙂

Shuttleworth bezeichnet es als Unfug, Spencers Position als die von Ubuntu darzulegen. Man solle das Melodrama mal beiseite legen und sich der Diskussion anschließen.

Der LTS-Ausgabe-Mechanismus funktioniere fein und man bringe Unterstützung für neue Hardware und Software auch für diese Versionen. Als Beispiel nennt Shuttleworth die letzte OpenStack-Version, die für 12.04 verfügbar ist. Punkt-Ausgaben hätten 12.04 einen neuen Kernel, ein neues OpenStack und  neue Unity-Versionen beschert. Es gibt keinen Grund, warum man in diesem Bereich nicht weiter ausbaut.

Weiterhin sei die Qualität von täglichen Ausgaben schon sehr gut und Raring ist bis auf kleinere Ecken und Kanten benutzbar. Shuttleworth meint sogar, dass es gut genug für den Endverbraucher sei.

Weiterhin spricht Shuttleworth davon, dass es Unsinn ist zu sagen, “Canonical bekommt, was es will”. Ubuntu sei eine Zusammenarbeit der Community und Canonical. Wer damit nicht klar kommt, soll sich einfach einer anderen Distribution anschließen. Diese seien alle voll von Enttäuschungen, Gezänk, Frustration und Bestechlichkeit. Er habe nichts dagegen, wenn man Ubuntu nicht benutzen mag, solle aber den Brunnen beim Verlassen nicht vergiften. Ääääh … wie meinen? Hat nicht die Ankündigung von Mir Wayland zunächst in den Schmutz gezogen – mal vor der eigenen Haustüre zu kehren anfangen, Herr Shuttleworth. Canonical ist auch nicht zimperlich, auf andere mit dem Finger zu zeigen.

Shuttleworth sieht Canonical eher in einer leitenden Rolle. Als man angefangen hat, wollte man das Beste ausliefern, was Open-Source zu bieten hat. Im Jahre 2009 hätte man erkannt, dass weder KDE, GNOME noch Xfce das richtige sei. Somit wurde Unity geboren, das bald auch auf Smartphones und Tablets zum Einsatz kommen wird.

Man habe einfach höhere Ziele und wolle keine Plattform für Bastler sein – deswegen müsse man die Arbeit an Unity forcieren, um mit Android, Chrome, Windows und Apple konkurrieren zu können.

Shuttleworth denkt, dass es dumm sei, wenn Leute sagen “Linux muss kompliziert sein, somit bleibt es exklusiv”. Ja da stimme ich ihm zu. Aber das klingt gerade so, als würden es die anderen Distributionen extra kompliziert für Anwender machen. Ist bei einigen Distributionen der Fall, die sind dann aber speziell auf System-Administratoren und so weiter ausgerichtet.

Er ist nur daran interessiert, dass er eine kostenlose und freie Plattform anbieten kann, der aus der Masse herausragt und für Anwender und die Geschäftswelt einsetzbar ist. Mit Ubuntu und Unity habe man das erreicht. Wenn man zusammen arbeite, würde Ubuntu eine weit verbreitete Plattform für Smartphones, Tablets und PCs werden.

Abschließen kommt er zurück zum eigentlichen Thema. Rolling Releases sind für ihn keine Ausgaben und echte Ausgaben seien gut, auch wenn man dafür härter arbeiten müsse. Wenn etwas schwer ist, müsse man es öfter tun, um darin ein Meister zu werden. In der Web-Welt renne die Software-Entwicklung nur und Shuttleworth fragt sich, ob 6 Monate genug sind. Somit sei die wirkliche Frage, ob man noch mehr Releases pro Jahr ausgeben soll und kann man diesen Prozess automatisieren, dass er sicher für Endanwender ist.

Seiner Meinung nach solle man bei der Diskussion bezüglich Rolling Releases folgendes in Betracht ziehen:

  • Kann man den Update-Prozess von Punkt zu Punkt komplett sicher machen? Upgrades seien bereits sicher, aber das Sytstem gleichzeitig sauber zu halten, bedürfe einiges an Kenntnissen mit apt.
  • Kann man die LTS-Versionen besser machen, damit Interim-Ausgaben weniger relevant werden?
  • Kann man monatliche Ausgaben in Betracht ziehe, die auch wirkliche Releases und nicht nur Schnappschüsse sind?

Somit dürften die Rolling Releases erst einmal gestorben sein. Die One-Man-Community Mark Shuttlworth hat gesprochen … 🙂 … und kein Gift zu versprühen – daran hat sich Herr Shuttleworth in seinem Beitrag auch nicht gehalten. Er ist ja gleich mehreren Communities auf die Füße getreten.

Dazu passend ist ein weiterer Beitrag von Mark Shuttleworth, in dem er sich gegen Kritik von Jonathan Riddel wehrt. Shuttleworth meint, dass sich Canonical sehr wohl noch um die Ubuntu Community kümmert. Riddel antwortet, dass er missverstanden wurde. Er habe lediglich gesagt, dass Canonical in letzter Zeit einige Schritte unternommen habe, die ohne Rücksicht auf die Community getroffen wurden. Shuttleworth sagte ja (weiter oben zu lesen), dass Canonical mehr eine leitende Rolle übernimmt, weil KDE und GNOME es nicht geschafft haben, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Wenn man wirklich zur Ubuntu Community beitragen wolle, ist Unity nicht der beste Ort. Es gäbe aber genug Bereiche, wo man mit offenen Armen empfangen werde – zum Beispiel Kubuntu.




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3 Kommentare zu “Mark Shuttleworth: Nicht überzeugt von Rolling Releases”

  1. Georg says:

    Gut, Rolling-Release ist tot. Aber warum kein Semi-Rolling wie unter LMDE? Alles läuft wie bisher, nur das große Upgrades alle 6 Monate in einem Update-Pack zusammengefasst werden. Anwendungen wie Firefox können als Rolling laufen. Das Linux Mint Team hatte in der Vergangenheit zu wenig Manpower um neben Linux Mint auch noch LMDE mit regelmäßigen Updates zu versorgen, das Ubuntu-Projekt wäre auf jeden Fall dazu in der Lage.

    Aus deinem Zitat kann ich keinen bösen Fingerzeig auf andere Projekte entdecken. Shuttleworth hat die Idee X, und sieht sie in den bestehenden Projekten A, B und C nicht gut genug umgesetzt. Also macht er selbst Projekt D auf. Ich sehe da kein Problem drin.
    Im Allgemeinen nervt mich dieses Gezanke tierisch. Gnome und Canonical/Unity hacken auf die Konkurrenz ein und umgekehrt. Wieso? MUSS Canonical, wenn es in Eigenregie ein Projekt hochzieht, umbedingt die Community einbeziehen? Sie sollen natürlich, aber die Software ist sowieso Open Source - wer mit dem fertigen Endprodukt nicht zufrieden ist, kann es nach Belieben anpassen oder forken. Die meisten Linuxe verfolgen ganz stark ein Ziel nach dem Schwarz-Weiß-Schema: Alles Bleeding Edge! Das sicherste System! Das einfachste System! Ubuntu ist jedoch ein Zwischending. Einerseits Open Source, andererseits ein fertiges Produkt nach dem Ideal eines pöhsen Unternehmers. Herauskommt ein System, welches mir alle Freiheiten lässt, im vordefinierten Zustand aber ein geschliffenes Endprodukt ist. Würde Canonical nach jedem Trend der Community springen (Kritik kommt ja anscheinend in erster Linie eh von Leuten, die in keinster Weise die Zielgruppe von Ubuntu sind), wäre es ein x-beliebiger Debian-Fork, nur mit anderer GUI. Der "Monarch" an der Spitze macht das Produkt eben aus, wie Jobs damals bei Apple. Man kann sowieso Canonical keinen Egoismus o.Ä. vorwerfen, solange sie ihre Software als Open Source zu beliebiger Nutzung freigeben.
    Wenn da irgendein Unity-Dev über eine Software herzieht - was solls? Am Ende wird für Zweck X eben benutzt was Zweck X am besten erfüllt. Das ist Open Source, und das nimmt auch keine Meckerfritze. Manchmal habe ich das Gefühl, jeder will das coolste neue Ding haben und sobald Kritik kommt wird doppelt so stark zurückgeschlagen. Wer wann wo angefangen hat...da habe ich schon längst den Überblick verloren.

    • jdo says:

      Ubuntu One?

      • Georg says:

        Die Server-Software von Ubuntu One ist unfrei, oder? Okay, da die Cloud allerdings quasi eine schlüsselfertige Dienstleistung ist, greifen da wiederum die Argumente nicht wirklich, das MS irgendetwas ohne die Community beschließen würde oder so.

        Ich kann dem ganzen Gezeter nicht mehr so recht folgen, vielleicht fehlt mir der Blick durch die Entwicklerbrille. Ich sehe das so: Das Ubuntu-Team entwickelt eine freie Software und baut sie in ein freies System ein, für welches sie verantwortlich sind. Dieses ist mehr oder weniger kompatibel zu zig anderen freien Systemen, der Wechsel hin und weg ist also leicht möglich, ebenso wie die Modifikation dieses Systems. Nun wird nicht mehr sachlich pro und kontra der Software diskutiert, sondern man diskutiert nur noch wie eine Software entstanden ist, von wem, warum...vielleicht sollte man sich eher fragen: Warum findet MS plötzlich Wayland doof? Ist die Kritik partiell gerechtfertigt? Wenn ja, was müssen (und wollen!) wir tun um wieder die Besten zu werden? Wenn nicht, sachlich dagegen argumentieren und um Stellungname bitten. Andersherum gilt das natürlich auch für Mir, und für die vielen Desktops...
        Ich finde das Gemecker um die Entwicklung in stillen Kämmerchen und diese ewige Diskussion um das wie? statt um das was? substanzlos. Wenn ich jetzt einen Mail-Client entwickle, und ihn auf meiner Webseite als FOSS anbiete: Ich habe auf keine Community gehört, ich habe ihn im stillen Kämmerchen entwickelt. Ist er darum doof? Wenn ich jetzt eine Nutzerbasis aufbaue, schreibe das ich den Thunderbird suboptimal finde und darum meine eigene Interpretation eines Mail-Clients anbiete, dazu auch gleich die neue verbesserte Version 2 meines Clients. Das Thunderbird-Team schreibt daraufhin: "Stimmt gar nicht, wir finden unseren Client (natürlich) am Besten". Wo ist das Problem? Habe ich die Community betrogen oder beschenkt. Habe ich Thunderbird in den Dreck gezogen oder nicht viel mehr das Spektrum freier Software um ein weiteres Element bereichert?

        Nach dem was ich bisher miterlebt habe, kommen mir viele der Streitigkeiten vor wie der ewige Kampf Google vs Microsoft und Samsung vs Apple, ein unnötiger Streit arroganter Eliten, wo eher gemeinsames Schaffen angesagt ist.