Firma und Umstieg auf Nextcloud – ein paar Tipps und ein Erfahrungsbericht

7 Kommentare Autor: Jürgen (jdo)

Ich habe einem weiteren Bekannten mit einer kleiner Firma und mehreren Außenstellen geholfen, auf die Nextcloud umzustellen. Er hatte bisher das Szenario, dass im Hauptbüro ein Synology stand, auf das sich via VPN eingewählt wurde. Synology stellt ja so eine Methode zur Verfügung. Die Firma ist im Laufe der Zeit aber gewachsen und die Außenstelle hat sich dauernd beschwert, dass der Datenzugriff so langsam und umständlich ist. Also musste eine praktikablere Lösung her und nach Gesprächen hat sich ergeben, dass die Nextcloud einen Versuch wert ist.

Was viele verkennen: Der Umstieg ist mit Arbeit und Kompromissen verbunden! Es ist nicht damit getan, eine Nextcloud auf einem Server zu installieren und schon wird alles gut.

Erst Mal nachdenken!

Ich verdonnere die Leute zunächst einmal dazu, die grauen Zellen ein bisschen zu bemühen. Folgende Fragen stehen auf der Liste:

  • Was würde Deine momentane Situation verbessern?
  • Arbeitet ihr viel gleichzeitig an Dokumenten? Wenn ja, wie habt ihr das bisher gemacht? (Das ist ein ziemlicher Knackpunkt!)
  • Müssen die Dinge genau so funktionieren, wie sie das gerade tun, oder gibt es Alternativen?
  • Was wäre ein idealer Workflow für Dich?
  • Ich kann Dir sagen, was die Nextcloud kann. Du musst entscheiden, ob es Deinen Anforderungen entspricht und ob Du sie nutzen kannst! Diese Entscheidung kann ich Dir nicht abnehmen!

Das Hauptproblem ist in unserem Fall, dass die Außenstelle Daten oder Dateien schneller öffnen können muss. Sind die Dateien bereits auf den jeweiligen Computer synchronisiert, öffnen sich die Dateien lokal. Das geht schneller.

Die Nextcloud ist toll, aber Du musst möglicherweise Deinen Workflow umstellen

Die Nextcloud ist toll, aber Du musst möglicherweise Deinen Workflow umstellen

Nextcloud – Das neue System erklären

Die Fragen als Hausaufgabe im Gepäck habe ich als nächstes erklärt, wie das neue System funktioniert und was es kann. Du darfst dabei nie vergessen (tue ich auch regelmäßig): Was uns Geeks oft völlig klar ist, verursacht bei anderen viele Fragezeichen über dem Kopf! Das ist keine Abwertung, weil die können Sachen, die wir nicht können. Also muss ich den Leute so verständlich wie möglich erklären, was sie mit einer Nextcloud bekommen und wie sie funktioniert.

Die Leute werden versuchen, alte Paradigmen auf das neue System zu münzen und das ist komplett falsch. Wenn ich nur den Servern (Synology) sozusagen an eine neue Stelle verschiebe, verbessere ich möglicherweise nicht wirklich etwas. Klar, könnte man einen Samba-Server irgendwo aufsetzen und dann wieder via VPN zugänglich machen. Die Administration würde aber für meinen Bekannten viel komplexer, weil er für jede Rechte-Änderung mich kontaktieren müsste.

Nimm Dir vielleicht die Zeit, gemeinsam nachzudenken. Ich weiß, dass viele das nicht können, da Zeit Geld ist und so weiter. Wir haben uns auf jeden Fall mit einer Flasche Brainstorm an einem Abend zusammengesetzt und dann einfach gemeinsam nachgedacht. Wo hakt es und wie können wir das mit der Nextcloud verbessern oder lösen. Selbst wenn es ähnliche Fälle gibt, wirst Du die eierlegende Wollmilchsau kaum finden. Vielleicht gibt es sie, aber für eine kleine Firma wäre die viel zu teuer. Also musst Du Kompromisse finden. Der Trick ist, den Kompromiss zu finden, von dem Deine Firma am meisten profitiert.

Die Benutzer in der Nextcloud administrieren sich hingegen so einfach, dass mein Bekannter den Vorgang selbst erledigen kann. Das hat ihm von Anfang an sehr gut gefallen und das klappt auch sehr gut.

Der Umstieg auf die Nextcloud muss gewollt sein!

Sehr sympathisch war, dass mein Bekannter sehr schnell erkannt hat, dass er sich umstellen muss. Sehr früh sagte er bereits:

Ich verstehe. Das gefällt mir im Ansatz sehr gut, aber wir müssen uns auf das System zu bewegen. Das mache ich, das ist es mir wert.

Steht so eine Aussage im Raum, dann hast Du schon gewonnen. Es bedeutet nämlich, dass nicht jemand versucht, starr am alten System festzuhalten. Nur ein neues System zu versuchen, weil das alte scheiße ist, bringt gar nichts. Hierzu noch eine Aussage aus einem Mail:

Lernphase. Begeisterung mischt sich mit Stolpersteinen die einen Lerneffekt haben. Meistens. Geiles schnelles System, bisher für uns im Aufbau noch Fehleranfällig weil wir Fehler machen, aber wir lernen…

… nee es ist geil, geile Geschwindigkeit, eingängig, aber je mehr Leute nun drin rumwerkeln … Wird schon, bisher nur positive Rückmeldungen, macht Spaß damit zu Arbeiten!”

Du siehst, dass die Leute wirklich aktiv auf das neue System zugehen und dann macht das auch Spaß.

Rate von zu vielen Insellösungen ab

Nun kann es sein, dass die Leute dann auf die Idee kommen, die Nextcloud zwar grundsätzlich zu nutzen, aber für viele kleine andere Aufgaben lauter kleine andere Tools zu benutzen. Der Gedanke kam meinem Bekannten auch.

Das kann man machen, wird meiner Meinung aber langfristig zu Problemen führen. Bei vielen Insellösungen wird es erstens total unübersichtlich und zweitens ist der Verwaltungsaufwand irgendwann nicht mehr tragbar. Wäre die Nextcloud zwar eine angemessene Lösung, aber irgendein Ding funktioniert halt gar nicht, dann sieh Dich nach einer Insellösung für das Problem um. Ermutige die Leute aber auch, dass sie noch Mal nachdenken sollen. Vielleicht lässt sich der Workflow umstellen und auf das neue System anpassen.

Problemkind: Gemeinsam genutzte Dateien

Ein Problem, auf das ich schon mehrmals gestoßen bin, sind gemeinsam genutzte Dateien. Während es bei LibreOffice wohl irgendwie funktioniert mit den Sperr-Dateien, klappt das bei Microsoft Office nicht. Laut einem Bekannten werden die temporären Dateien zwar synchronisiert, aber dem anderen System sind die egal.

Früher hat das geklappt, weil die Freigaben einfach als Laufwerke eingebunden waren. Nun weiß aber Computer A nicht mehr, wenn Computer B die entsprechende Datei offen hat. Man würde sich gegenseitig überschreiben und es kommt zu einer conflict-Datei.

Eine Lösung wäre an dieser Stelle die Integration einer Online-Office-Lösung wie zum Beispiel Collabora Online, das sich in die Nextcloud integrieren lässt. Damit könnten die Leute bei gemeinsam genutzten Dokumenten gleichzeitig daran arbeiten. Sie würden zumindest sehen, wenn jemand anderes darin werkelt.

CODE 4 (Collabora Online / LibreOffice Online)

CODE 4 (Collabora Online / LibreOffice Online)

An dieser Stelle musst Du aber testen. Es kann hier zu Kompatibilitätsproblemen kommen und vielleicht eignet sich OnlyOffice besser bei Microsoft-Dateiformaten. Möglicherweise klappt es auch gar nicht und es muss eine andere Lösung her oder ein anderer Workflow. Eines der größten Probleme an dieser Stelle ist wohl, dass viele Leute Excel oder Tabellenkalkulationsprogramme als Projektplaner und Datenbank missbrauchen.

Lasse die Leute nicht alleine!

Ich habe ihm gesagt, dass er bei Unklarheiten nicht rumdoktern, sondern sofort fragen soll. Er kann zwar eigentlich nichts kaputt machen, aber trotzdem. Bisher funktioniert das ganz gut. Du musst möglicherweise eine gewisse Geduld mitbringen, aber die Fragen werden weniger.

Mit meinem Bekannten habe ich sehr viel Glück und da macht es auch wirklich Spaß zu helfen. Zum Beispiel hat er einen Ordner mit nur Vorlagen, die von anderen benutzt, aber nicht bearbeitet werden. Die Nextcloud ist dafür großartig. Er hat die Vorlagen in einen separaten Ordner gepackt, der für die anderen nur lesend erreichbar ist. Somit kann er sie ändern und die Änderungen synchronisieren sich auf alle anderen Rechner. Jeder hat immer die aktuellen Vorlagen. Es sind wirklich so kleine Dinge, mit denen die Leute glücklich sind.

Ziehe frühzeitig die Reißleine

Sollte es irgendwie gar nicht funktionieren und die Anforderungen sind komplett anders oder der Mensch will sich einfach nicht auf das neue System zubewegen, dann zieh die Reißleine.

Es bringt gar nichts, wenn Du jemanden auf ein neues System hinprügeln willst, der sich keinen Millimeter bewegt. Ein neues System wird Umstellungen mit sich bringen. Workflows ändern sich, Dinge funktioniert anders und so weiter. Das System ist nur so gut, wie jemand damit arbeiten will.

Du tust Dir selbst und dem anderen keinen Gefallen, wenn alles nun irgendwie halb umgestellt ist, nicht funktioniert und so weiter. Soll es nicht sein, lasse es. Du ersparst Dir damit sehr viel Ärger.

Backups und Administration

Was Dir aber auch bewusst sein muss, Du übernimmst damit eigentlich die Administration des Servers und kümmerst Dich um die Backups. Das kann ich meinem Bekannten nicht zumuten. Allerdings lässt sich das zum Großteil automatisieren.

Das Backup ist relativ simpel. Mein Bekannter hatte vorher sein Synology schon auf ein HiDrive gesichert. Da ist so viel Platz, dass wir die wichtigsten Konfigurationsdateien des Servers, die Datenbank und die Dateien der Nextcloud locker noch an diese Stelle sichern können. Bei seinem Abo ist zum Glück das Protokollpaket dabei und das bedeutet rsync. Durch einen Schlüsselaustausch ist eine verschlüsselte Datenübertragung ohne Eingabe des Passworts möglich. Praktischer geht es eigentlich kaum.

Die Updates für Server und Nextcloud synchronisiere ich mit meinen eigenen administrativen Aufgaben. Ob ich nun ein Terminal-Fenster oder zwei offen habe, ist auch schon egal. Die Systeme sind relativ schnell aktualisiert. Der Vorteil ist sogar noch, dass ich zuerst mein System auf den neuesten Stand bringe und dann gleich sehe, ob es Probleme gibt. Ist bisher nicht vorgekommen, aber in dem Fall würde ich erst Lösungen suchen und dann die Nextcloud oder den Server meines Bekannten aktualisieren.

Wie geht es weiter? Die Leute nicht überfrachten

Die Reise hört aber noch nicht auf. Zu neugierig macht das neue System und Apps wie zum Beispiel Deck sind möglicherweise Kandidaten für die Zukunft.

Das Problem an dieser Stelle ist vielleicht, dass die Leute nun zu viel auf einmal wollen und komplett den Überblick verlieren. Ich habe es zum Glück geschafft, den Fokus zunächst auf das Kernproblem zu lenken. Darum kümmern wir uns im Moment. Als nächstes sind vielleicht Kalender und Kontakte dran, ich weiß es noch nicht. Wir werden nichts überstürzen.

Ich bin mir sicher, dass es noch viele weitere Tipps, Überlegungen und so weiter gibt. Du darfst gerne Deine Erfahrungen in den Kommentaren hinterlassen, weil dadurch lernen wir. Jeder kleine Erfahrungsbericht sind Denkanstöße, die in unsere nächste Flasche Brainstorm mit einfließen.

Mmmmmmmh …. lecker …. Brainstorm‘ … 😉




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7 Kommentare zu “Firma und Umstieg auf Nextcloud – ein paar Tipps und ein Erfahrungsbericht”

  1. intux says:

    Du hast die Problematik sehr gut analysiert. Genau diese Fragen stellen sich bei der Umsetzung.

  2. bb says:

    Mutig! Mir wäre die Kiste zu heiß.
    Viele User, viele kleine Dateien, gleichzeitiger Zugriff und vorallem ein solider Sync-Client sind nicht gerade die Steckenpferde von Nextcloud. Auch wenn das besser geworden ist.

    • jdo says:

      Mhmmm ... wenn Du das Ganze auf einem Raspberry Pi 1 B betreibst, dann ... Aber es geht an dieser Stelle ja um ein Business und es hängen angemessene Ressourcen dahinter und das klappt tatsächlich!

      Vor allen Dingen kommt es ja, wie im Beitrag beschrieben, auf den Anwendungsfall an. Einfach "mutig" zu pauschalisieren, ist engstirnig. Nur weil es bei A nicht so funktioniert, muss das bei B auch so sein. Deswegen auch der Abschnitt mit "Zieh die Reißleine".

      Aber Du darfst uns gerne mitteilen, auf welcher Hardware oder mit welchen Ressourcen und auf wie vielen Clients Deine Erfahrungen basieren. Wir lernen alle gerne dazu!

      Ansonsten ist das Argument ein bisschen dünn ...

  3. bb says:

    > "dahinter und das klappt tatsächlich!"
    Will, und habe ich doch gar nicht abgestritten.

    >"wenn Du das Ganze auf einem Raspberry Pi 1 B betreibst, dann "
    SSD, Xeon, RAM zum bewerfen, Redis Cache(ohne Cache kannste es ja gleich vergessen)

    > Einfach "mutig" zu pauschalisieren, ist engstirnig.
    Warum ich das mutig finde, habe ich ja erläutert. Ergänzen könnte ich noch:

    * Upgrade Pfade nicht stabil, Apps werden als deprecated markiert, bzw. nicht an neue Versionen angepasst.
    * Support Zeiträume zwingen aber zu Major Updates:
    https://github.com/nextcloud/server/wiki/Maintenance-and-Release-Schedule
    * Sync Client ist fehleranfällig(Einfach mal bei Github in die Issues schauen), was passiert wenn $Mitarbeiter nicht merkt, dass der Client einen Fehlerzustand erkannt hat, und einfach weiterarbeitet? Bei > 10 MA kannste das nicht mehr wirklich überwachen. .conflict Dateien sind vorprogrammiert(Wer merged?)
    * LDAP / AD Anmeldung unvollständig. Kein Dialog, wenn User sein Passwort ändern muss oder geändert hat. Ergo kein Sync, gerade auf den mobile Apps keine konkrete Fehlermeldung ersichtlich -> User arbeitet mit altem Datenbestand -> Conflict
    * External Storage extrem anfällig. Wenn in einem eingebundenen SMB Share Änderungen durchgeführt werden, wird das nicht an die NextCloud Clients gespiegelt. Gibt es zwar eine eingeschränkte Frickellösung zu:
    https://docs.nextcloud.com/server/12/admin_manual/configuration_files/external_storage/smb.html
    aber wer will das. Und das ist exemplarisch für Own- als auch für Nextcloud: Anstatt die Basis mal endlich sauber, stabil und schnell aufzustellen wird ein Feature nach dem anderen Rein- und wieder raus gefrickelt(Siehe das Encryption Debakel)

    >und auf wie vielen Clients Deine Erfahrungen basieren.
    Privat, als auch beruflich. Bis zu 100 Clients pro Instanz.

    > Deine Erfahrungen basieren. Wir lernen alle gerne dazu!
    Sehr gerne und mein Fazit lautet: "Mutig" 😉

    >Ansonsten ist das Argument ein bisschen dünn ..
    Sicherlich Ansichtssache, für mich ist der SyncClient schon ein No-Go, einfach mal:
    i=0;while [ $i -lt 999 ]; do echo $RANDOM > $i; let i=i+1;done

    Im Sync Ordner laufen lassen und schauen was das sowohl auf Client- als auch Serverseite mit dem System macht. Andere Lösungen brauchen da <1sek für.

    • jdo says:

      >i=0;while [ $i -lt 999 ]; do echo $RANDOM > $i; let i=i+1;done
      Das Problem mit vielen kleinen Dateien kenne ich und da gebe ich Dir 100% Recht. Seafile blinzelt da Mal kurz und die Sache ist erledigt. Allerdings eignet sich die Nextcloud für meinen Fall besser und ein Grund ist die einfachere Administration.

      Viele kleine Dateien sind aber in dem hier beschriebenen Fall nicht gegeben. Es kommen verhältnismäßig wenig Dateien hinzu. Weiterhin habe ich extra gefragt, wie oft es vorkommt, dass wirklich Leute gemeinsam an Dokumenten arbeiten. Ich habe das Problem angesprochen, aber die Antwort bekommen, dass eigentlich nur 2 Dokumente gemeinsam genutzt werden und das hauptsächlich von 1 Person. Die andere Person würde im gleichen Büro sitzen und da könnte man sich absprechen.

      Wir haben da wirklich länger durchgekaut, was wie wann wo und mit wem. Bisher scheint es zu klappen.

      Und JA! Das mit der E2E-Verschlüsselung ist eine totale Katastrophe ... 100% ack, brauche ich aber in diesem Fall auch nicht.

      Wie beschrieben muss man Kompromisse eingehen und eben eine Lösung finden, mit der man leben kann.

  4. bb says:

    >Wie beschrieben muss man Kompromisse eingehen und eben eine Lösung finden, mit der man leben kann.

    Stimmt. Bei Nextcloud sehen viele Sachen auf den ersten Blick halt einfacher aus, als sie es dann am Ende des Tages sind.

    Aber ich sehe schon, du hast auch schon deine Erfahrungen gemacht 😉
    Toll wäre ein Review nach einem Jahr.

  5. Matthias says:

    Du beschreibst hier sehr gut genau mein Vorgehen. 🙂 Das mit den vielen Insellösungen lässt sich allerdings selten vermeiden, weil es keine eierlegende Wollmilchsau gibt. Nextcloud funktioniert finde ich z.B. sehr gut für Kalender und Kontakte, für > 100 User aber unterirdisch bei Dateien. Habe das über die Jahre mehrfach getestet (zuletzt vor ein paar Wochen). Regelmässig gibt es synchronisations-Probleme, die bei Seafile einfach nicht auftauchen.

    Meine Lösung ist daher Seafile + Nextcloud. Über LDAP hat man auch die Benutzer-Accounts an einem Ort.