Jolla: Ex-Nokia-Mitarbeiter planen Wiederbelebung von MeeGo

6 Kommentare Autor: Thomas (td)

Meine Hilferuf ist erhört worden. Wie die Faust aufs Auge passt die am Sonntag verbreitete Meldung zu meinem mögliche Android-Alternativen betreffenden Beitrag, dass sich einige frustrierte „Ex-Nokianer“, die sich mit der Windows-Phone-Strategie des Ex-Arbeitgebers offenbar nicht anfreunden konnten, seit Ende 2011 an einer Wiederbelebung von MeeGo arbeiten. Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass mein seinerzeit noch mit Maemo ausgestattetes N900 eines der interessantesten Mobiltelefone war, das ich je besaß. Jetzt hat die Jolla Ltd., ein von ehemaligen Nokia-Mitarbeitern gegründetes Startup, in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, dass man das im vergangenen Jahr eingestampfte MeeGo-Projekt weiterführen möchte mit dem Ziel, noch im Jahr 2012 ein Meego-basiertes Smartphone auf den Markt zu bringen.

Als Nokia Ende 2010 das Touchscreen-Smartphone N9 vorstellte, waren sich fast alle Experten darin einig, dass es Nokia mit dem N9 endlich gelungen war, ein Gerät zu entwickeln, das mit dem iPhone und dem seinerzeit erst beginnenden Android-Boom hätte mithalten können. Obwohl das Gerät mit schickem Design und solider Hardware überzeugte und mit dem gemeinsam mit Intel entwickelten Betriebssystem Meego ausgestattet war, hatte das N9 vor Vorne herein leider keine Zukunft, weil Nokia noch vor dessen Serienstart im Februar 2011 seinen Pakt mit Microsoft bekannt gab, demzufolge man künftig nur noch Smartphones auf Basis von Windows Phone entwickeln wolle. Nokias N9 war das bisher einzige Smartphone der Finnen mit Linux-basierten Betriebssystem und hat nicht nur bei mir, sondern auch in zahllosen offziellen Tests und Statements gute Noten erhalten. Laut Jussi Hurmola war das N9 das beste Smartphone der Welt.

Aber Jolla

Das muss wohl eine Reihe von MeeGo-Entwicklern arg frustriert haben. So hat die junge finnische Firma Jolla Ltd. jetzt in einer  kurzen Pressemitteilung  bekannt gegeben “die exzellente Arbeit, die Nokia mit MeeGo begonnen hatte, fortzuführen”. Dazu haben sich Jolla CEO Jussi Hurmola, der zuvor als Direktor von MeeGo Computers Releases und Integration bei Nokia angestellt war und Jolla COO Marc Dillon, zuvor leitender MeeGo-Entwickler bei Nokia, mit anderen ehemaligen MeeGo-Experten, sowie internationalen Investoren zusammen gefunden. Ziel ist das Entwickeln und Verkaufen MeeGo-basierten Smartphones, womit Jolla in direkte Konkurrenz zum von Samsung und Intel vorangetriebenen offiziellen Meego-Nachfolger Tizen tritt. Nach eigenen Angaben besteht das derzeitige Jolla-Team bereits aus einer großen Anzahl von ehemaligen Meego-Hauptentwicklern und Managern, man beabsichtige aber, weitere „Meego-Talente“ einzustellen, um gemeinsam an einem  Smartphone der nächsten Generation zu arbeiten.

Etwas Eigenes

Da Jolla eine komplett eigene Benutzerschittstelle entwickeln will, soll nicht Nokias Harmmaten-Plattform als Ausgangspunkt der Entwicklung dienen, sondern das Mer-Projekt, sowie Qt zusammen mit  RPM als Paketmanagementsystem. Viel mehr Informationen gibt es noch nicht. Die Website http://jolla.fi ist zwar registriert aber im Moment noch „Under Construction“. Lediglich auf Twitter und LinkedIn sind einige wenige weiterführende Informationen verfügbar. So beabsichtigt Jolla etwa,  den  Quelltext seiner Produkte offenlegen zu wollen. Ob das künftige Jolla-Betriebssystem auch seinen Weg auf existente, bzw. im Umlauf befindliche N9-Telefone finden wird, ist nicht klar, bzw. liegt laut Jolla „nicht in unserer Hand”. Jolla soll übrigens sowohl auf ARM-, als auch auf   x86-Prozessoren laufen. Weitere Infos möchte das Jolla-Team  indes erst in naher Zukunft öffentlich machen.

Äpfel mit Birnen

Soweit die Fakten! Passend dazu liest sich eine gewagte aber naheliegende Prognose auf  Wallstreet-Online unter dem Titel „Microsoft kauft Nokia!“. Nach der bestünde laut Ralf Rottmann, CTO des App-Spezialisten grandcentrix Microsofts einzige Strategie sich langfristig gegen iOS zu behaupten darin, unter anderem durch Übernahme von Nokia Appels Geschäftsmodell zu kopieren. Das ist natürlich etwas weit hergeholt. Treffend ist aber Rotmanns Feststellung, sämtliche Smartphone-Statistiken kritisch zu bewerten, die Apple iOS undifferenziert mit Googles Android vergleichen, denn Apples technologisches Ökosystem besteht mit Hardware, Betriebssystem und Marketplace aus einem Guss, was es Apple derzeit ermöglicht, 70 Prozent seiner Umsätze auf dem App-Markt zu generieren. Ich behaupte nicht, dass ich das gut heiße, sondern liefere lediglich die Erklärung, warum das Apple-Geschäftsmodell funktioniert, was Microsoft theoretisch tun könnte, um konkurrenzfähig zu werden und warum sich iOS in Sachen Marktdurchdringung nicht ohne weiteres mit Android vergleichen lässt. Mit ist letztendlich egal, ob und wie Microsoft mit Smartphones zusätzlichen Profit macht. Da werden die Redmonder sicher selbst darauf kommen.

Microsoft kauf Nokia

Rottmann erkennt zwar treffend, dass die Fragmentierung des Android-Marktes mit unzähligen Hardware-Plattformen (Google, Samsung, HTC) und mindestens drei im Umlauf befindlichen Betriebssystemen (2.2, 2.3, 4.0), sowie dem derzeitigen Entwicklungsmodell für Apps gegenüber Apples Ökosystem wirtschaftlich im Nachteil ist und Microsoft deshalb Apple kopieren müsse. Ich für meinen Teil finde aber bei aller Kritik an Android gut, dass das so ist, denn wir”Open-Source’ler” präferieren ohnehin ein offenes und sowohl für Apps-, als auch für Hardware-Entwickler und Nutzer offenes System, deren primärer Zweck nicht darin liegt, für wen auch immer profitabel zu sein. Selbstverständlich kann es uns im Prinzip egal sein, wie die Redmonder im Mobilmarkt Fuß fassen und ob sie Profit machen oder nicht, oder ? Was meint Ihr?




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6 Kommentare zu “Jolla: Ex-Nokia-Mitarbeiter planen Wiederbelebung von MeeGo”

  1. Chris says:

    Hi
    Das Nokia N9 läuft mit MeeGo, nicht mit Maemo. Und es ist auch (laut en. Wikipedia) erst in Q3/2011 erschienen, nicht Ende 2010.

  2. Lucas says:

    Yes, auf solch eine Nachricht hab ich gewartet 😀
    Ich hoffe das erste Smartphone wird gleich ein riesen Erfolg (im Verhältnis der Firmengrösse gemessen). Das wär ein weiterer Beweis dafür wie unfähig Nokias CEO und VR ist.

  3. Gammaix says:

    Ich bin stolzer Besitzer des N900 mit Maemo und freue mich natürlich über solche Nachrichten - und gegebenenfalls einen Nachfolger für meine Telefonzelle. Andererseits splittet sich hier der "Linuxansatz" leider auch schon wieder in Tizen und Maemo auf. Auf längere Sicht könnte es dann mit beiden OS nichts werden. Und das wäre schade!

  4. td says:

    Auch wenn es für den Inhalt des Artikels nicht Wesentlich ist und es auch nicht mein primäres Anliegen war, vom N900, respektive N9 zu schwärmen, möchte ich noch folgende Klarstellung nachschieben: ich besitze als IT-Journalist und Tester definitiv ein N900 (das was ein Slider-Handy) mit Maemo!! Ob das seinerzeit ein Vorserien-Modell war, weiss ich heute nicht mehr. Im Artikel rede ich auch, bzw. größtenteils vom N9 (das auch in der Abbildung zu sehen ist), welches später auf dem Markt kam und definitiv nur mit MeeGo ausgeliefert wurde.

  5. Marc says:

    TOLLE Nachricht!!!
    Stimme in deiner Argumentation voll zu und freue mich auf meego.
    nutze meego seit der ersten stunde auf nem netbook.
    ist zwar kein vergleich zum telefon und wird evtl. nicht fortgeführt aber netbooks haben meiner meinung eh ausgedient bzw. waren ein völlig falsches/sinnfreies produkt.

    Wie dem auch sei.
    Hoffe auf ein tollen Meego neustart

  6. Cermit says:

    Das N900 war kein Vorserienmodell, sondern ein vollwertiges Smartphone. Das OS, was auf dem N9 läuft ist die Weiterentwicklung von Maemo, als noch deb-basiert.
    Ich habe im Moment dass N950 in Benutzung, was meinen Vorstellungen von einem kompletten Smartphone recht nahe kommt. Leider ist es nicht frei verfügbar aber so ein Smartphone mit Slider und offenem OS mit aktuellem UI erhoffe ich mir von dem Jolla-Projekt.