Firefox Update-Regeln: Die Konzerne sind auf dem Holzweg, nicht Mozilla

3 Kommentare Autor: Jürgen (jdo)

Mozilla FoundationAuf ars technica wurde ein wirklich langer Artikel / Kommentar veröffentlicht, der sich mit den Beschwerden der Firmen auf Grund Mozillas Versionierungs-Änderung auseinandersetzt. Ich übersetze mal frei, warum der Autor der Meinung ist, dass die Firmen zu Unrecht meckern.

Vor rund drei Monaten wurde Mozillas lang erwarteter Firefox 4 veröffentlicht – ein Quantensprung, vor allen Dingen in Sachen Geschwindigkeit. Letzte Woche gab es bereits Firefox 5, das auch den neuen Lebenszyklus des Mozilla Browsers einläutete. Nun wird es zirka alle drei Monate eine neue Version geben und die Vorgänger-Version enthält keine Updates mehr. Das bedeutet im Klartext: Unterstützung beendet.

Overhead beim Testen

Firefox 5 Do Not Track

Firefox 5: Do Not Track

Das größte Problem ist Testen. Viele Konzerne haben eigene Web-Applikationen, die entweder selbst entwickelt werden oder von Drittanbietern kommen. Bevor also eine neue Version ausgeliefert wird, muss diese natürlich ausgiebig getestet werden. Sollte eine wichtige Anwendung nicht mehr funktionieren, kann das schließlich sehr schnell teuer werden. Die Erhöhung der Schlagzahl von Mozilla bei der Ausgabe neuer Versionen macht diesen Prozess unmöglich. Version 5 beinhaltet auch Sicherheits-Updates, die es für Firefox 4 nicht mehr gibt. Der einzige, die Lücken zu flicken, ist ein Upgrade auf Firefox 5.

Sicherheits-Updates lassen sich in der Regel schnell testen, da diese normalerweise keine neuen Funktionen mit sich bringen. Es gibt aber in der heutigen zeit kaum etwas schlimmeres, als einen anfälligen Browser dessen Sicherheitslücken auch noch bekannt sind.

Falsche Forderungen

Damit sind einige Firmen gar nicht glücklicht. Auch wenn Firefox 5 wenig überraschend ausgegeben wurde, realisierten viele anscheinend nicht, dass es keine Sicherheits-Updates mehr für Version 4 gibt. Und für die Zukunft will Mozilla die Schlagzahl noch weiter erhöhen. Eine Ausgabe-Zyklus von sechs Wochen ist das eigentliche Ziel. Es gab schon Kommentare, dass Mozilla sein eigenes Todesurteil unterschrieben hat, weil man die Firmen-Anwender somit in eine dumme Situation gebracht hat und eigentlich außen vor lässt.

Ob das die richtige Antwort ist, darf man bezweifeln. Mozillas oberste Priorität waren noch nie die Konzerne. Somit bräuchten die Firmen nun gar nicht so überrascht tun, als hätte sie Mozilla im Stich gelassen. Hätten Firmen eine hohe Priorität, würden diese beiden Lücken wohl nicht schon seit Äonen offen sein.

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VTzilla: Virus Total Plugin für Firefox und Google Chrome

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Bedeutungslose Zahlen

Aber was ist mit Firmen, die Firefox tatsächlich als erste Wahl einsetzen? Wie sollen diese mit der Situation fertig werden? Die Antwort ist einfach: Genauso wie immer. In Wirklichkeit waren auch kleinere Firefox-Update nie nur reine Sicherheits-Aktualisierungen. Mozilla hat schon immer Kompatibilitäts- und Stabilitäts-Updates mit ausgeliefert. manchmal gab es sogar große Änderungen in kleinen Versions-Sprüngen. Firefox 3.6.4 stellte ein neues System vor, in denen Plugins als separater Prozess liefen. Version 3.6.9 brachte neue Gegenmaßnahmen für bestimmte Typen an Sicherheits-Lücken mit sich. Auch diese Änderungen können Kompatibilitäts-Probleme verursachen. Somit sei auch hier ausgiebiges Testen angesagt gewesen. Dass die neue Versionierung zusätzliche Last für Firmen bedeutet ist somit einfach unwahr.

Die Kombination von Sicherheits mit Kompatibilitäts- und Stabilitäts-Updates ist weder neu noch einzigartig in Firefox. Google macht genau das selbe mit Chrome. Sogar das letzte Sicherheits-Update für Internet Explorer beinhaltet eine Fehlerbereinigung im Zusammenhang mit Datei-Downloads. Nummer sind also bedeutungslos.

Diese Update-Regel trifft nicht nur auf Browser zu. Der Linux-Kernel machte kürzlich einen Sprung auf Version 3.0, weil Linus Torvalds der Meinung war, 40 2.6.x-Ausgaben seien genug. Auch die Ubuntu-Entwickler setzen mehr auf eine Zeit-basierte Veröffentlichung , statt einer auf Funktionen basierende. Unternehmen sollte sich also darauf konzentrieren, die Änderungen zu testen und nicht eine Nummer.

Die neue Regel ändert also die Test-Prozesse nicht wirklich. Wenn Firefox vorher gut genug für Unternehmen war, hat sich das nicht geändert. Die Beschwerden zeigen mehr als ein Unverständnis der Mozilla-Politik. Sie zeigen, dass Unternehmen das Web nicht verstanden haben.

Das Web als Opfer

Google Chrome 12 Einstellungen

Mehr Sicherheit mit Google Chrome 12

Das Internet ist ein Medium, dass unabhängig vom Webbrowser benutzt werden soll und dafür gibt es Standards. Eine Vielzahl an Seiten haben immer noch einen großen Aufwand gewisse Technologien der letzten Jahre einzusetzen, um veraltete Browser wie dern Internet Explorer 6 zu unterstützen. Im schlimmsten Fall setzen sie die neuen Technologien gar nicht ein. Könnten sich Entwickler sicher sein, dass nur Firefox 5, Chrome 12, Opera 10.50 und Internet Explorer 9 im Umlauf sind, würde das viel Entwicklungs-Zeit und auch Geld sparen. Darüber hinaus würden den Entwicklern eine Vielzahl neuer Funktionen zur Verfügung stehen. So ist es aber leider nicht, weil viele Unternehmen selbstgestrickte Anwendungen verwenden, die alles außer Standard-konform sind und somit nur mit bestimmten Browsern funktionieren. Die Anwender müssen oft den gleichen Browser auch im Web verwenden. Somit machen diese Firmen das Web für jeden einfach schlechter.

Anstatt nun 18 Monate einen neuen Browser zu veröffentlichen gehen Mozilla und Chrome diesen Weg: Wir veröffentlichen dann, wenn etwas fertig ist. Nichts wäre besser, als wenn Web-Applikationen auch diesem Weg folgen würden. Das geht aber nicht, weil die Entwickler Browser aus der gefühlten digitalen Steinzeit unterstützen müssen. Mozilla hat also den richtigen Weg eingeschlagen, um das Web besser für den Anwender zu machen. Die Nachteile für Firmen sind nicht so gravierend, wie einige Schreihälse behaupten.

Peacekeeper Internet Explorer 9

Internet Explorer 9

Allerdings haben es die Firmen auch nicht leicht. Noch vor wenigen Jahren setzten viele auf Visual Basic, um Internet-Applikationen zu entwickel, weil einfach nur Internet Explorer zählte. Das hatte eine ganze Weile auch gut funktioniert und man dachte, dass dies auch so bleibe. Anwendungen wurden nicht weiter entwickelt und es ließ sich ein gewisser Stillstand verzeichnen. Es ist ja bekanntlich ein Fehler, nur auf ein Pferd zu setzen. Die Firmen hatten aber die Anwendung  rein auf Internet Explorer 6 zugeschnitten. Man kann den Konzernen nicht einmal einen Strick daraus drehen, weil es sich zum damaligen Zeitpunkt einfach richtig anfühlte und andere Browser einfach unwichtig waren. Nun schlägt das Web aber zurück. Die Firmen hatten nicht mit so einer rasanten Entwicklung des Internets gerechnet.

Auf Seite der Öffentlichkeit

Firefox und Chrome haben sich nun auf die Seite des öffentlichen Netz gestellt. Jede neue Ausgabe des Browser soll besser als die alte sein. Dass interne, nach W3C-Standards entwickelte Applikationen nicht mehr funktionieren, sollte so gut wie nicht vorkommen.

Microsoft geht mit dem Internet Explorer einen anderen Weg und unterstützt diesen für zehn Jahre. Somit können sich Firmenkunden beruhigt zurücklehnen und den Fortschritt intern ignorieren. Allerdings leidet das öffentliche Netz darunter. Auch für Firmen ist dies nicht unbedingt von Vorteil. Wer heute noch Internet Explorer 6 braucht, kann die modernsten Betriebssysteme nicht einsetzen. Diese Abhängigkeit müssen Firmen früher oder später loswerden. Und je länger sie warten, desto teuerer und schwieriger wird dieser Prozess. Der Internet Explorer hat zwar noch einen starken Marktanteil, aber Firefox und Chrome haben ein gutes Stück abgeknappst. Die weltweite Benutzung von Internet Explorer sinkt zu Gunsten der anderen Browser immer noch. Redmonds Einfluss auf das Web nimmt damit zusehends ab.

Zurück zur Desktop-Applikation?

Der einzige Weg für Firmen ist als Applikationen zu schreiben, die sich an Standards und nicht Browsern orientieren. Das ist zwar nicht so einfach, wie es sich anhört, da es zwischen den Browser-Familien immer noch Diskrepanzen gibt. Dass etwas aber komplett nicht funktioniert ist eher unwahrscheinlich. Eine andere Möglichkeit wäre der Einsatz von mehr als einem Browser. Einer für interne Angelegenheiten und einer für das öffentliche Web.

Opera 11.50 Passwörter synchronisieren

Opera 11.50 mit Passwort-Synchronisation

Es ist nicht ausgeschlossen, dass Mozilla in der Zukunf ein ähnliches Modell wie Ubuntu mit seinen LTS (Long Term Support oder Langzeitunterstützung) anbietet. Dieser dafür dedizierte Browser würde einfach länger mit Sicherheits-Updates versorgt werden. Da es sich um ein Open-Source-Projekt handelt, müsste Mozilla dies nicht mal selbst übernehmen. Canonical und Red Hat wären zum Beispiel Kandidaten, den Unternehmen Langzeitunterstützung für Browser anzubieten.

Unternehmen müssen sich also überlegen, was sie wollen. Wenn es mit dem Browser nicht geht, gibt es die Alternative des Betriebssystems. Hier ist die Entwicklung langsamer, es gibt stabile APIs und Langzeitunterstützung. Die Lösung hieße somit Desktop-Applikation und nicht langsamere Entwicklung des Web.

Persönliche Anmerkungen

Das einzige Problem mit Desktop-Applikationen ist allerdings, dass diese in der Regel nicht Plattform-unabhängig sind. Aber man kann bekanntlich nicht Alles haben. Ansonsten kann ich dem Kommentar nur zustimmen. Viele Firmen haben geschlafen und bekommen nun die Rechnung serviert.

Was ich mir allerdings wünschen würde, wäre mehr Übersichtlichkeit bei den Versionsnummern. Unter Firefox 5 oder Chrome 12 kann ich mir weniger vorstellen als unter Firefox 2011.06 oder so ähnlich. Dann wüsste ich nämlich genau, auf welchem Stand ich mich befinde.




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3 Kommentare zu “Firefox Update-Regeln: Die Konzerne sind auf dem Holzweg, nicht Mozilla”

  1. Mika B. says:

    ..Viele Konzerne haben eigene Web-Applikationen, die entweder selbst entwickelt werden oder von Drittanbietern kommen..

    Dies geht nicht nur Unternehmen so, auch viele Privatanwender sind Betroffen!
    Viele Plugin sind mit Firefox5 noch nicht kompatible da steht schon Firefox6 ins Haus. Hobby Programmierer bringen nicht die Zeit auf ihre Plugins oder Themen alle 6 Wo zu Überarbeiten.
    So geht das leider Nicht Mozilla,
    niemand möchte mit einen Veralteten Browser Arbeiten und es ist auch egal ob neue Versionen als Update oder neues Relais daherkommen wie bei Google-Chrome, nur die Plugins sollten weitgehendst damit Weiterlaufen. Daher muss dringend die Plugin API Überarbeitet werden, bei Google-Chrome klappt das ja auch das die Plugin unabhängiger sind.
    Mozilla wird dies Einsehen müssen oder ihr großer Vorteil des großen Plugin Angebotes wird Schrumpfen und mit ihm sicher die Zahl der Firefox Anwender, egal ob in Unternehmen oder Privat.
    Daher kann ich dem Kommentar nur Bedingt zustimmen.

  2. irgendeiner says:

    ... und noch ein Schreiberling, der noch nie in einem größeren Konzern gearbeitet hat. Die Sache ist eigentlich ganz einfach:
    1. Firefox verusacht Kosten durch nicht mehr beherrschabre Testaufwände!
    2. Es gibt ALternativen? ja? Heisst Inernet Explorer und leistet dasselbe?
    3. Einsatz IE wird angeordnet, sämtliche Firefox Installationen sind zu löschen.
    4. Management ist zufrieden.

    • jdo says:

      Wie anfangs beschrieben habe ich ja nur frei übersetzt und dazu meinen eigenen Senf gegeben. Persönlich hab ich schon bei IBM und Media-Saturn gearbeitet. Ich vertrete trotzdem die Meinung, dass man sich besser an offene Standards hält und sich auf Gedeih und Verderb Microsoft und IE ausliefert. Man kann nur hoffen, dass viele Firmen aus dem IE6-Desaster gelernt haben.

      Dass Internet Explorer das selbe leistet kann ich so nicht stehen lassen. Vielleicht ist MS mit Version 9 auf einem guten Weg, aber 6-8 sind einfach eine Katastrophe. Es ist zum Großteil den Webentwicklern zu verdanken, dass die Seiten auch für IE optimiert wurden, obwohl das erwiesenermaßen einen nicht unerheblichen Mehraufwand bedeutete. Vor allen Dingen so lange noch IE 6 so weit verbreitet war. Mittlerweilen ist es etwas besser geworden.

      Im bezug Firefox (Chrome) und Testaufwände geb ich Dir Recht, auch wenn große Versionsnummern nicht gleich große Änderungen bedeuten. Das ist bei Mozilla gerade etwas verwirrend. Eine LTS-Version würde hier schon Abhilfe schaffen - aber darüber denkt man ja nach ... mal sehen, was die Schlacht um das Web noch so alles bringt 🙂